Beschreibung
Eine eindrucksvolle Reportage von einem hervorragenden Asienkenner
Vor mehr als dreißig Jahren wurde Kambodscha vom Terror der Roten Khmer heimgesucht, die auf den ''Killing Fields'' fast ein Viertel der eigenen Bevölkerung ermordeten. Jetzt endlich werden die Verantwortlichen vor ein Tribunal gestellt. SPIEGEL-Autor Erich Follath schildert in seiner eindrucksvollen Reportage ein faszinierendes Land mit einer Jahrtausende alten Kultur Kultur und Geschichte, das mit den Schatten der grausamen Vergangenheit kämpft.
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Autorenportrait
Erich Follath, 1949 geboren, ist promovierter Politikwissenschaftler und bekannter Sachbuchautor. Lange Jahre war er für den SPIEGEL als Diplomatischer Korrespondent und als Redakteur tätig, unterwegs war er vor allem im Nahen Osten, auf dem indischen Subkontinent und in Ostasien. Über die Geschichte dieser Regionen, über die Menschen und ihre Kulturen hat er zahlreiche Reportagen geschrieben. Sein Buch »Das Vermächtnis des Dalai Lama« wurde zum Bestseller, zuletzt erschien das SPIEGEL-Buch »Die neuen Großmächte« (2013) über den wirtschaftlichen Aufstieg von Brasilien, Indien und China. Für »Jenseits aller Grenzen« hat er innerhalb eines Jahres die wichtigsten Stationen des Ibn Battuta besucht und die Eindrücke mit seinen früheren Reiseerlebnissen vereint.
Leseprobe
An diesem Tag, dem 26. Juli 2010, wird durch das erste Urteil des Internationalen Gerichtshofs von Phnom Penh Geschichte geschrieben, für Kambodscha, für Asien, für die ganze Menschheit - eine Zäsur bei der Aufarbeitung des Völkermords durch die Roten Khmer, dem in der Zeit zwischen 1975 und 1979 über 1,7 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Doch in den Triumph und die Erleichterung über diese erste Sühne des Genozids mischen sich Bitterkeit und Zweifel, Zorn und Verstörung; auch Angst darüber, wie es weitergehen soll. Und so gibt es eigentlich nur eins, was die Menschen an diesem feuchtheißen, denkwürdigen Morgen in dem Land am Mekong eint - dass es sich beim Schuldspruch gegen Kaing Guek Eav, ehemals Chef des Foltergefängnisses Tuol Sleng, erst um den Anfang in einem langen, schwierigen Prozess der Aufarbeitung handeln darf, nicht um sein Ende. Wie so oft in seiner Geschichte ist Kambodscha auch in diesen Stunden nach dem Urteil tief gespalten. Stoisch und ruhig wirkt nur der Angeklagte selbst: Kaing Guek Eav, besser bekannt unter seinem Revolutionsnamen 'Duch', nimmt die Worte des Richters gefasst entgegen. Hinter dem kugelsicherem Glas des Gerichtsgebäudes streicht er sein ohnehin makellos sitzendes blaues Hemd zurecht, zupft ein wenig an der Bügelfalte der schwarzen Hose. In seinem zerfurchten Gesicht ist keine Regung abzulesen, der drahtige Körper strafft sich nicht einmal, als der kambodschanische Gerichtsvorsitzende Nil Nonn auch im Namen der westlichen Mitglieder des Tribunals den Schuldspruch verkündet: 35 Jahre Haft, davon würden aus formalen Gründen fünf Jahre abgezogen, die gesamte bisherige Haftzeit von elf Jahren angerechnet. Das ist weniger als die Staatsanwaltschaft forderte, weit weniger als die mögliche lebenslange Haftstrafe. Bleiben bei guter Führung knapp 19 Jahre. Kühl bis ans Herz ist Duch sein Leben lang gewesen, ein hochbegabter Mathematiklehrer, ein skrupelloser Funktionär, der verstand, die Dinge gegeneinander abzuwägen: Pflicht und Risiko, Ideologie und Karriere, Hinrichten und Überlebenlassen. Vielleicht rechnet der ehemalige Chef-Folterer des Regimes in diesem Moment schon einmal durch, was das für ihn bedeuten könnte. Freiheit mit 86 Jahren. Machbar. Ein Sundowner in einer Bar am großen Fluss; oder eine Rückkehr ins Heimatdorf nahe des großen Sees. Wiedereingliederung des Massenmörders in die kambodschanische Gesellschaft - eine Entwicklung, die das Gericht ausdrücklich als nicht unmöglich deklarierte. Jenseits des Glaskastens mit dem regungslosen Duch haben Angehörige der Opfer, Khmer-Journalisten und internationale Beobachter auf der Tribüne die Worte des Gerichts gespannt verfolgt. Auf einer großen Leinwand vor dem Sondertribunal am Rand der Hauptstadt ist das Geschehen live zu erleben, vom kambodschanischen Rundfunksender übertragen bis in den letzten Winkel des ganzen Landes. 'Wir sehen es als erwiesen an, dass der Angeklagte schockierende und abscheuliche Taten begangen hat. Er verlangte von seinen Vernehmungsbeamten in Tuol Sleng die Anwendung physischer und psychischer Folter. Die Gefangenen dieses Lagers S-21 waren zur Exekution bestimmt', sagt Richter Nil Nonn in seiner einstündigen Urteilsbegründung. Duch sei für den Tod von mindestens 12 273 Menschen verantwortlich, er sei der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und des Bruchs der Genfer Konvention überführt. Strafmildernd rechnet das Tribunal dem Angeklagten seine Kooperation mit dem Gericht, die 'Zwänge des Khmer-Rouge-Regimes' und 'in Grenzen gezeigte Reue' an. Als dann klar wird, dass der mörderische Funktionär womöglich nicht für immer hinter Gittern verschwindet, sind die Emotionen nicht mehr zu bremsen. 'Das darf doch nicht wahr sein', ruft tränenüberströmt das Opfer Saodi Ouch, die ihren Bruder auf den Killing Fields verloren hat. 'Wie ein Schlag gegen mein Gesicht', empört sich, die Fäuste ballend, Chum Mey, einer der nicht einmal ein Dutzend Exhäftlinge von Tuol Sleng, die mit dem Leben davon gekommen sind. Folt