Beschreibung
Die Cité des Platanes ist einer der großen Gebäudekomplexe am Fuß von Montmartre, in dem über vierhundert Wohnungen untergebracht sind. Im Glaskasten gegenüber der Wohnung der Concierge tauchen plötzlich, wie von Geisterhand eingeschmuggelt, kurze, als Tierfabeln getarnte Mitteilungen auf, die den Hausfrieden empfindlich stören. Von wem stammen sie und wer ist gemeint? Luis Gonzales (ein falscher Name), die schöne Dolores (ein falsches Biest), ihr Sohn Julio (ein angehender Detektiv) und der (richtige) Hund Emile sorgen dafür, daß diese immer verrückter werdende Detektivgeschichte am Ende gut ausgeht.
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Hersteller: Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
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Autorenportrait
Undine Gruenter, 1952 in Köln geboren, studierte Jura, Literaturwissenschaft und Philosophie. Sie lebte bis zu ihrem Tod 2002 in Paris. Bei Hanser erschienen Ein Bild der Unruhe (1986), Nachtblind. Erzählungen (1989), Vertreibung aus dem Labyrinth (1992), Das Versteck des Minotauros (2001), Sommergäste in Trouville. Erzählungen (2003), Der verschlossene Garten (2004) und Pariser Litertinagen. Erzählungen (2005)
Leseprobe
Es meldete sich eine Person, eine Bewohnerin der Rue Veron, die dort, ohne daß die Verwaltung davon Kenntnis gehabt hätte, Unterschlupf gefunden hatte, als Untermieterin. Das Gebäude zur Rue Veron hatte fünf Stockwer-ke und die Dachzimmer, dazu ein zusätzliches kleines Ap-partement, das separat zum Hof lag und vom Hausflur über dieselbe kleine Treppe zu erreichen war, die zur Hoftür führte. Das Appartement lag also direkt neben dem Hinterausgang. Die Person schien ein schlechtes Gewissen zu haben, weil sie dort ein wenig illegal, ohne Vertrag, wohnte - sie zahlte der Besitzerin eine symbolische Summe, denn die wollte die Miete nicht steuerlich angeben. Madame Schmidt, so hieß die Untermieterin, behauptete, Zuflucht aus einer Ehekrise bei einer Freundin gesucht zu haben, die sich eine größere Wohnung im Haus gegenüber gekauft habe und das Kellerappartement als Geldanlage bis auf weiteres behalten wolle. Reguläre Mieten interessierten sie nicht, nur die Tilgung der Unkosten. Sie hätte es vorgezogen, sich der Hausverwaltung bis jetzt nicht vorzustellen, weil ihr Mann ihren Schlupfwinkel solange nicht erfahren solle, bis die Scheidung ausgesprochen sei, er neige dazu, sie telephonisch oder auch mit Überraschungsbesuchen zu verfolgen und ihr neues Leben zu bedrohen. Sie arbeite in der Druckerei in der Rue Steinlen. Trauriges kleines Schicksal - und ein weiterer Schlupfwinkel im Labyrinth war durch Zufall aufgedeckt. Wer mochte noch in den vielen Gebäuden der Cite wohnen, ohne daß ihn die Hausverwaltung je zu Gesicht bekäme? In der Rue Veron gab es nicht einmal die Concierge, die die Post verteilte, es gab dort Briefkästen, und nur der Briefträger werfe die Briefe ein an Mme X c/o Mme X. Die Cite - Unterschlupf für das Große CHEZ &133; Am Abend nach ihrem Geständnis besuchte Madame Alvarez mit dem Detektiv und dem Neffen Madame Schmidt in ihrem Kellerappartement. Madame Schmidt trug wieder einen weiten Umhang, einen Poncho mit marokkanischem Muster, und auch in dieser untervermieteten Wohnung schienen die neuen Montmartre-Moden über das alte Kleinbürgertum zu triumphieren: Keramik-Geschirr für Tagine und Couscous im Regal wie aus einem tunesischen oder marokkanischen Restaurant aus der Rue Aristide Bruant, leichte spanische Wände aus Bast vor dem Spülstein und vor dem Kopfende des Bettes, das tagsüber mit einer bunten Decke als Diwan benutzt wurde, marokkanische Lederpuffs zum Sitzen und Poster von schwarzen Sängern an den Wänden. Auf dem Sofatisch lag neben Räucherstäbchen ein kleines Buch von Tahar Bel Jelloun. Vor dem Milchglasfenster zum Hof stand eine Zimmerpalme, und auch wenn die Wohnung winzig war, direkt von der Tür ohne Flur zu betreten, nur ein Zimmer zum Hof mit fremden, zurückgelassenen Möbeln, schien sich ihre Bewohnerin dort wohl zu fühlen. Sie bot ihren Besuchern einen grünen Tee an und hörte der Geschichte der Glaskasten-Texte zu. Ich arbeite in einer Druckerei, sagte sie, aber poetische Dichtungen drucken wir nicht. Sie schwärmte von dem Quartier, von den kleinen Buchläden mit antiquarischen Büchern, von den afrikanischen und arabischen Restaurants, von den Kneipen und kleinen Läden mit Krimskrams, in denen man solche Ponchos kaufen konnte oder falsche Götterstatuen aus Holz oder Terracotta. Selbst spät in der Nacht, sagte sie, sind die Cafes noch geöffnet, und wenn man allein lebt und sich allein fühlt, findet man draußen noch Leben, während im Haus sich über Störungen niemand beklagen könne. Vielleicht sei es zunächst nur ein Spaß gewesen - die Glaskasten-Dichtung - und dann durch denselben oder weitere Mittäter zu diesem Dauerexzeß geraten, ein perpetuum mobile, weil keiner der Wiederholungstäter sich dem Sog des Spiels entziehen könne? Als Spiel ließe sich diese Sache unter Eingeweihten nicht mehr bezeichnen, sagte der Detektiv. Das Syndikat habe Anzeige erstattet, der Bericht läge a ... Leseprobe