Beschreibung
Vor Jahren hat Hans Küng in einzelnen Teilen seines Buches 'Christ sein' das Bild, das das Christentum von seinem Stifter hat, wieder zum Leuchten gebracht. Neu gefasst bringen diese Texte ebenso den konkreten Jesus von Nazareth zum Vorschein wie seine ursprüngliche Botschaft, die unter jahrhundertelanger Dogmatisierung durch die Kirche gelitten hat. Für Glaubende und Nicht-Glaubende, für Nicht-Mehr-Glaubende oder Gern-Glauben-Wollende, aber von der kirchlichen Lehre Enttäuschte öffnet dieses Buch einen Zugang zu der Gestalt, die die Geschichte der Menschheit verändert hat. Schon seit gemeinsamen Tübinger Tagen stehen sich die Jesus-Bilder von Joseph Ratzinger und Hans Küng diametral gegenüber. Hier der verkirchlichte, dogmatisierte Christus Ratzingers, dort der lebendige Jesus aus historischer Perspektive. Hans Küng hat die zentralen Texte zu Jesus von Nazareth aus seinem Buch 'Christ sein' gelöst und neu gefasst: für einen befreiten Zugang, gegen alle Enge.
Autorenportrait
Hans Küng, geboren 1928 in Sursee/Schweiz, ist Professor Emeritus für Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen und Präsident der Stiftung Weltethos. Er gilt als einer der universalen Denker unserer Zeit. Sein Werk liegt im Piper Verlag vor. Zuletzt erschienen von ihm 'Was ich glaube' sowie 'Ist die Kirche noch zu retten?'.
Leseprobe
Wie ich mich Jesus annäherte Wer war jene einzigartige Gestalt, die dem Christentum den Namen gab? Wie ungezählte andere Katholiken vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) bin ich aufgewachsen mit dem traditionellen Christusbild des Glaubensbekenntnisses, der hellenistischen Konzilien und byzantinischen Mosaiken: Jesus Christus als thronender 'Gottessohn', ein menschenfreundlicher 'Heiland' und früher für die Jugend der 'Christkönig'. Im Katechismusunterricht lernten wir dogmatische Formeln, ohne sie zu verstehen: Jesus Christus sei die 'zweite Person der Dreifaltigkeit', 'eine göttliche Person in zwei Naturen', einer menschlichen und einer göttlichen. Über eine solche 'Christologie von oben', sozusagen vom Himmel hoch, hörte ich dann in Rom eine ganzsemestrige Vorlesung, mitsamt den Häresien, gegen welche Konzilien und Kaiser vorgegangen waren, und dazu die oft wenig überzeugenden Antworten auf die schon damals angemeldeten Schwierigkeiten. Zwar bestand ich all die nicht ganz einfachen lateinischen Examina problemlos - aber meine Spiritualität? Die blieb eher unbefriedigt. Lange Zeit interessierte mich am meisten die geistreiche paulinische Theologie, die Evangelien kamen mir dagegen zu vertraut und eher langweilig vor. Richtig interessant wurde für mich die Christusfigur erst, als ich sie nach meinen sieben römischen Jahren aufgrund der modernen Bibelwissenschaft 'von unten', sozusagen aus der Perspektive seiner ersten Jünger kennenlernen durfte: als reale Gestalt der Geschichte. Das gründliche Studium der katholischen wie evangelischen exegetischen Literatur im Zusammenhang meiner Vorlesungen, Seminare und Publikationen war angetrieben durch meine ungeheure Wissbegierde nach diesem 'unbekannten' irdischen Jesus. Denn das Wesen des Christentums ist nun einmal nichts abstrakt Dogmatisches, ist keine allgemeine Lehre, sondern ist seit eh und je eine lebendige geschichtliche Gestalt: Jesus von Nazaret. Jahre hindurch habe ich mir so das einzigartige Profil des Nazareners aufgrund der überreichen biblischen Forschung der letzten zweihundert Jahre erarbeitet, habe alles in leidenschaftlicher Anteilnahme durchdacht, präzise begründet und systematisch dargeboten. Ja, ich habe sogar über das ganze Markus-Evangelium vom ersten bis zum letzten Vers gepredigt, und anschließend auch über die Bergpredigt. Seit meinem Buch 'Christ sein' weiß ich, wovon ich rede, wenn ich ganz elementar sage: Das christliche Lebensmodell ist schlicht dieser Jesus von Nazaret als der Messias, Christós, der Gesalbte und Gesandte Gottes. Jesus Christus ist das Fundament echter christlicher Spiritualität. Ein herausforderndes Lebensmodell für unsere Beziehung zum Mitmenschen wie auch zu Gott selbst, das für Millionen Menschen in aller Welt Orientierung und Maßstab wurde. Wer also ist ein Christ? Nicht derjenige, der nur 'Herr, Herr' sagt und einem 'Fundamentalismus' huldigt - sei dieser biblizistisch-protestantischer, autoritär-römisch-katholischer oder traditionalistisch-östlich-orthodoxer Prägung. Christ ist vielmehr, wer auf seinem ganz persönlichen Lebensweg (und jeder Mensch hat einen eigenen) sich bemüht, sich an diesem Jesus Christus praktisch zu orientieren. Mehr ist nicht verlangt. Mein eigenes und so manches andere Leben mit seinen Höhen und Tiefen, und auch meine Kirchenloyalität und Kirchenkritik kann man nur von daher verstehen. Gerade meine Kirchenkritik kommt wie die so vieler Christen aus dem Leiden an der Diskrepanz zwischen dem, was dieser geschichtliche Jesus war, verkündete, lebte, erkämpfte, erlitt, und dem, was heute die institutionelle Kirche mit ihrer Hierarchie repräsentiert. Diese Diskrepanz ist oft unerträglich groß geworden. Jesus bei einem triumphalen Pontifikalamt im Petersdom? Oder im Gebet mit dem amerikanischen Kriegspräsidenten und Benedikt XVI. im Weißen Haus? Oder bei einer aufwendigen Staatsreise des 'Stellvertreters' mit im Papamobil? Nicht auszudenken! Frei nach Dostojewskis Großinquisitor würde man ihn wohl
Schlagzeile
Wer war jene einzigartige Gestalt, die dem Christentum den Namen gab?