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Geliebte Berthe

Erschienen am 10.06.2014
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783492303675
Sprache: Deutsch
Umfang: 416 S.
Format (T/L/B): 2.9 x 19 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Unberührt von der tiefen Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich, liebt Berthe die französische Kultur. Bei einem Fest im nahen Straßburg verliebt sie sich Hals über Kopf in Armand. Eine Liebe, die eigentlich unmöglich ist, doch Berthe überwindet die Grenze, zieht ins südfranzösische Villeneuve, heiratet und gründet eine Familie mit Armand. Als Hitler in Paris einmarschiert, brechen sich alte Vorurteile Bahn. Und Berthe wird zunehmend isoliert.

Autorenportrait

Inge Barth-Grözinger wurde 1950 in Bad Wildbad im Schwarzwald geboren. Sie unterrichtete bis zu ihrer Pensionierung am Peutinger-Gymnasium in Ellwangen die Fächer Deutsch und Geschichte. Sie veröffentlichte mehrere sehr erfolgreiche Bücher, unter anderem die Schwarzwald-Familiensaga 'Beerensommer'.

Leseprobe

Brot Der kleine Marienkäfer kroch mit winzigen trippelnden Schritten über ihren Arm, schob sich über den hellen Flaum der Härchen und verharrte kurz in der Armbeuge. Er ist müde, so wie ich, dachte sie und stellte sich vor, dass er jetzt von den kleinen Schweißperlen trinken würde, die ihren Körper überzogen wie ein klebriger Film. Sie hielt den Atem ganz ruhig und ließ sich von der Menge schieben, die in kleinen Wellen nach vorn drängte, eine graue Schlange, in der sich die Gesichter auflösten. Bertha packte die Henkeltasche fester, man musste aufpassen, vorsichtig sein, auch wenn das knisternde Papier in der Tasche tatsächlich nur noch Papier war und kein Geld mehr, wie noch vor einiger Zeit. Wenn sie Glück hatte, bekam sie nachher ein Brot dafür und bei Stollenmaier um die Ecke etwas Mehl, Salz und - Höhepunkt des Glücks - ein paar Eier. Man musste schnell sein, sonst war dieses Papier noch viel weniger wert und man bekam gar nichts mehr. 'Was ist denn los da vorn, warum geht's nicht weiter?', rief plötzlich jemand und die Schlange gab ein dumpfes Echo zurück: '. weiter. weiter.' Vielleicht kaufte einer da vorn das restliche Brot auf, das taten manche, um es dann noch teurer weiterzuverkaufen. Oder man tauschte etwas ein, ein Schmuckstück vielleicht oder eine Uhr. Züge fuhren am Wochenende hinaus aufs Land, Züge, an denen Menschen hingen, hungrig und hoffnungsvoll, um den Bauern ein paar Lebensmittel abzubetteln. Sie hatten Silberbesteck dabei, Teppiche. wertvolle Dinge und man bekam vielleicht ein Stück Wurst dafür und war glücklich, für den Moment jedenfalls. Es waren schwere Zeiten in diesem Sommer des Jahres 1923, in dem die Inflation das Geld auffraß - so schnell wie die heiße Julisonne die Spuren des Platzregens wegdampfte, der am Morgen niedergegangen war. Bertha Merkle hatte keinen Schmuck und kein Silberbesteck, sie hatte zwei fleißige Hände, die unverdrossen arbeiteten, aber mit dem, was sie jetzt dafür bekam, konnte sie unmöglich überleben. In der Tasche befand sich ihr Wochenlohn. Die vielen Scheine passten in keine Lohntüte mehr, man stopfte das Geld in die Tasche und dann rannte man los, zur Bäckerei Eisele beispielsweise, um noch irgendetwas zu ergattern. 'Jetzt kostet's schon 11 000 Mark', flüsterte jemand aus der Schlange. 'Wer sagt das?', fragte eine heisere Stimme ungeduldig zurück. 'Hab ich gerade gehört.' 'Ja Himmelherrgottsakrament. und wenn's nicht langt, steh ich umsonst da. Kauft da wieder einer zu viel?' 'Kauft zu viel.', kam es als dumpfes Echo zurück und dann erhoben sich einige Stimmen, kreischend, fast überschnappend. 'Weiter. weiter. für jeden nur ein Brot!' Was passiert bloß mit einem, wenn man Hunger hat, dachte Bertha müde. Die Sonne brannte unablässig und sie musste aufpassen, dass sie keinen Sonnenbrand bekam mit ihrer milchweißen Haut. Weiße Haut und brandrote Haare - Feuer und Schnee - hatte der Vater immer gesagt. 'Bist eine ganz hitzige und trotzdem so kühl im Denken und Handeln.' 'Ist das gut, Vater?', hatte sie als junges Mädchen ungeduldig gefragt. Wenigstens etwas Gutes musste sie doch von diesen vermaledeiten roten Haaren haben. Die anderen Kinder hatten sie immerzu gehänselt: 'Rotfuchs, Rotfuchs.!' Und manchmal schossen sie mit Papierkügelchen nach ihr und schrien: 'Der Fuchs ist tot, der Fuchs ist tot', und hatten gebrüllt vor Lachen. Aber der Vater hatte sie immer wieder getröstet. 'Das ist das Allerbeste, Bertha, hörst du, das Allerbeste! Ein heißes Herz und ein klarer Verstand. müssen sich nur immer die Waagschale halten.' Die Tränen schossen ihr in die Augen, als sie jetzt an diesen Moment dachte, als sie das letzte Mal mit ihm gesprochen hatte. 'Meine Bertha, Feuer und Schnee.' Er war schon so hinfällig gewesen, hatte müde und abgekämpft auf dem alten durchgesessenen Sofa gelegen. Sie würde diesen Moment nie vergessen, wie er zärtlich über ihre Haare gestrichen hatte. Ihre Feuerhaare. Murrend schob sich die Schlange

Schlagzeile

Wenn die Liebe Grenzen überwindet

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