Beschreibung
An die 'gläserne Decke' stoßen qualifizierte Frauen, wenn ihre Karrieren auf der mittleren Ebene stecken bleiben. Die Autorinnen und Autoren weisen nach, dass vor allem die Dominanz der Arbeitswelt und die Unvereinbarkeit mit dem Privatleben Karrierewege blockieren. Sie kommen zu dem Schluss, dass sich Chancengleichheit im Beruf und damit eine Umgestaltung der Geschlechterverhältnisse nur gemeinsam mit einem Wandel der Arbeitswelt vollziehen kann.
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Autorenportrait
Yvonne Haffner ist Privatdozentin am Institut für Soziologie der TU Darmstadt, Beate Krais ist dort Professorin.
Leseprobe
Seit den ersten sozialwissenschaftlichen Untersuchungen über die Erwerbstätigkeit und die beruflichen Karrieren von Frauen in der Bundesrepublik der 1950er Jahre hat sich die politische Diskussion ebenso wie die Forschungslage grundlegend verändert. Während die ersten einschlägigen Studien von der Müttererwerbstätigkeit als einem sozialen Problem ausgingen, entwickelte sich in den siebziger und achtziger Jahren mit der Frauenforschung eine Sichtweise, die in kritischer Auseinandersetzung mit der Industrie- und Betriebssoziologie nicht nur Fragen des Arbeitsmarktes und der Berufstätigkeit thematisierte, sondern auf der Betrachtung des Lebenszusammenhangs von Frauen in seiner "doppelten und widersprüchlichen Einbindung in Erwerbssystem und Familie" insistierte (Gottschall 1999: 21). In neuerer Zeit schließlich wird immer häufiger auch bei Studien zu beruflichen Karrieren und zu den Arbeitsverhältnissen von Männern nach dem gesamten Lebenszusammenhang gefragt. Die bislang weitgehend abgeschottet voneinander argumentierenden Bindestrich-Disziplinen Familiensoziologie, Frauen- und Geschlechterforschung sowie Industrie- und Betriebssoziologie haben daher den gemeinsamen Fluchtpunkt ihrer Analysen in der integralen Betrachtung des Verhältnisses von Produktions- und Reproduktionssphäre in der modernen kapitalistischen Gesellschaft wiederentdeckt. Ein Forschungs-Schwerpunkt im letzten Jahrzehnt lag auf der Frage nach den Gründen für das Phänomen der so genannten "gläsernen Decke", das heißt dem Steckenbleiben von Karrieren hoch qualifizierter, akademisch gebildeter Frauen irgendwo im unteren und mittleren Bereich der Karriereleiter. Nachdem die Gründe hierfür lange Zeit vor allem bei den Frauen selbst gesucht wurden, in ihrer Sozialisation, ihren Interessen und Lebenskonzepten, richtete sich die neuere Forschung sehr viel stärker auf Strukturen und Bedingungen der Arbeitswelt und auf die unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten der Arbeitskultur. Da sich, wenn es um die berufliche Situation und die berufliche Leistung von Frauen geht, die Frage nach der privaten Lebenssituation geradezu aufzudrängen scheint - eine Frage, die bei der Untersuchung der Berufstätigkeit von Männern bislang meist wie selbstverständlich ausgeblendet wurde -, gerieten zugleich die Beziehungen von beruflichem Erfolg und privater Lebensführung in den Blick. Diesen Zusammenhang hatte bereits die ältere Forschung zu den Professionen thematisiert, die im professional nicht nur ein produktiv einsetzbares Humankapital verkörpert sah, sondern eine charakteristische Sozialfigur der modernen Gesellschaft mit einem besonderen, auch die Gestaltung des privaten Alltags erfassenden Lebenskonzept. Und da die einschlägigen Untersuchungen in der Regel vergleichend angelegt waren, entwickelte sich dieser zunächst von Fragestellungen der Frauen- und Geschlechterforschung ausgehende Forschungszweig unter der Hand zu einer umfassenden Forschung über die berufliche Situation, die Arbeitskultur und die private Lebensführung von Männern und Frauen in akademischen Berufen. Im November 2006 haben wir auf einer interdisziplinären wissenschaftlichen Fachtagung an der Technischen Universität Darmstadt versucht, eine erste Bilanz dieser Forschung zu ziehen. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Tagung hatte zum Ziel, das komplexe Forschungsfeld zum Thema "Chancengleichheit von Frauen und Männern in akademischen Berufsfeldern" aus interdisziplinärer Perspektive zu beleuchten, Anknüpfungspunkte an bisherige Forschung herauszuarbeiten und neue Forschungsfelder zu erschließen. Das Erkenntnisinteresse richtete sich dabei insbesondere auf 1. die Identifikation der strukturellen Barrieren, an denen - insbesondere im Beruf und auf dem Arbeitsmarkt - die Umsetzung gleichstellungspolitischer Maßnahmen scheitert; 2. die Entwicklung einer ganzheitlichen Sicht auf die Arbeits- und Lebenssituation von Frauen und Männern auch dann, wenn es im Kern um Chancengleichheit im Beruf geht; 3. die gleichgewichtige Einbeziehung von Frauen und Männern in die Ursachen- und Folgeforschung und eine darauf abgestimmte Datenerhebung. Fragen nach Chancengleichheit sind nur zu beantworten, wenn die Situation von Frauen und Männern betrachtet wird, insbesondere vor dem Hintergrund der Strategie des Gender Mainstreaming. Die Forschungsergebnisse, die auf dieser Tagung präsentiert wurden, zeigen, dass es eine dominante Arbeitskultur gibt, die nicht nur erhebliche "gläserne Barrieren" für den beruflichen Aufstieg von Frauen errichtet, sondern auch komplexe Voraussetzungen in der privaten Lebensführung hat beziehungsweise tief in die privaten Arrangements eingreift. Es kommt nicht von ungefähr, dass in der Öffentlichkeit immer häufiger über eine Problematik diskutiert wird, die als Work-Life-Balance in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist: Eine Balance zwischen privatem Leben und Erwerbsarbeit herzustellen, erscheint im Bereich der hoch qualifizierten Berufe mittlerweile als ein nahezu unmögliches Unterfangen. Die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit erweist sich damit als ein gesellschaftspolitisches Ziel, das weniger durch Maßnahmen einer speziellen "Frauenförderung" zu erreichen ist - die, zugespitzt formuliert, in der Regel als Maßnahmen "zur Verbesserung der Frau" konzipiert sind -, sondern nur als Umgestaltung der Geschlechterordnung angegangen werden kann. Diese jedoch ist nur zu denken, wenn sie Hand in Hand mit der Umgestaltung der Arbeitsordnung geht. Die Arbeits- und Lebenskonzepte von Männern bleiben davon nicht unberührt: Neue Strategien zur Gleichstellungspolitik, wie sie durch die Forschung nahegelegt werden, haben nicht nur Auswirkungen auf Frauen, sondern implizieren auch Veränderungen in den Lebenskonzepten von Männern - Veränderungen, die im Übrigen, wenn auch nicht sehr beachtet, bereits im Gange sind. Die neuere Forschung hat auch sichtbar gemacht, dass das Private - bei Männern wie bei Frauen - in das Berufliche hineinspielt und unter anderem die Wahrnehmung von beruflicher Leistung prägt. Und schließlich macht sie deutlich, wie die Arbeit die privaten Arrangements der Individuen mit gestaltet, wie und unter welchen Bedingungen beispielsweise Konkurrenzen aus dem Berufsleben in die Partnerbeziehung eingreifen oder die Organisation des Alltags von Eltern und Kindern beeinflussen. Die Diskussion, die Familienministerin Ursula von der Leyen mit ihren Vorschlägen zur Verbesserung der Situation junger Eltern angefacht hat, erhält durch diese Ergebnisse neue Argumente und zusätzliches Gewicht. Problemaufriss Zehn Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking schätzt die EU-Kommission ihre Doppelstrategie zum Erreichen von mehr Chancengleichheit als erfolgreichen Weg ein, den sie weiterverfolgen will: Einerseits die gezielte Förderung von Frauen in Einzelprojekten und andererseits die politische Verankerung der Geschlechterperspektive als Querschnittsthema durch die Einführung von Gender Mainstreaming auf allen Ebenen der EU und ihrer Mitgliedstaaten. In der Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen heißt es dazu: "Die Mitgliedstaaten berücksichtigen aktiv das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Formulierung und Umsetzung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Politiken und Tätigkeiten []." (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft 2002: L269/17). Von den Regierungen der Länder und des Bundes angestoßene Programme zur Erhöhung der Chancengleichheit in der Berufsausbildung und beim Zugang zur Beschäftigung waren dabei durchaus von Erfolg gekrönt: Die Schulabschlüsse der Mädchen sind seit Jahren im Durchschnitt höher als die der Jungen, im Jahr 2004 haben erstmals mehr junge Frauen als Männer ein Studium an einer Hochschule aufgenommen und es gibt Hinwei...
Inhalt
Moderne Arbeitswelten, beruflicher Erfolg und private Lebensverhältnisse Yvonne Haffner, Beate Krais, Ragna Schümann Unter Männern: Der Arbeitsmarkt von Akademikerinnen im technischen Feld Franziska Schreyer Strukturelle Barrieren im Beruf: Die Arbeitskultur im Berufsfeld der Ingenieur- und Naturwissenschaften Yvonne Haffner Dynamik der beruflichen und privaten Lebensgestaltung von Frauen und Männern im IT-Bereich - Ergebnisse einer qualitativen Längsschnittstudie Ulrike Schraps, Ernst-H. Hoff Chancengleichheit und Work-Life-Balance in der Werbeindustrie Cornelia Koppetsch Erfolgreiche Erwerbsintegration bei anhaltender Ungleichheit - Die Berufssituation von Wirtschaftsakademikerinnen zu Beginn des 21. Jahrhunderts Friederike Maier Alltägliche und biographische Synchronisation partnerschaftlicher Lebensläufe Susanne Dettmer "Ja, ab der Promotion wird es eng" - Zum Zusammenspiel individueller und struktureller Barrieren für Frauen in der Wissenschaft Maria E. Harde, Lilian Streblow Wissenschaft als Lebensform: Die alltagspraktische Seite akademischer Karrieren Beate Krais Die Autorinnen und der Autor