Beschreibung
Wer die Religionslosigkeit der ostdeutschen Gesellschaft und die Säkularität ihrer Bürger begreifen will, muss sich neben der Religionspolitik der SED auch der Aneignung dieser Politik durch Individuen und Familien zuwenden. Auf der Basis von Interviews mit drei Generationen zeigen die Autorinnen und der Autor dieses Buches, in welcher Weise die Auseinandersetzung mit Religion in die grundlegende Konflikthaftigkeit des Lebens in der DDR eingebettet war. Es wird deutlich, welchen Spannungen kirchlich gebundene Menschen ausgesetzt waren, aber auch, in welchem Maße in Familien säkulare Traditionen geschaffen wurden. Nicht zuletzt in der jüngsten Generation lässt sich jedoch - in Absetzung davon - ein neu erwachtes Interesse an Religion ausmachen.
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InhaltsangabeInhalt Vorwort11 1. Einleitung: Säkularität und Religiosität im Osten Deutschlands - Zur Logik der Aneignung forcierter Säkularisierung13 1.1 Säkularisierung im Osten Deutschlands: Ein "erfolgreiches" Experiment13 1.2 Forcierte Säkularisierung und deren subjektive Aneignung14 1.3 Subjektive und familiale Logiken des Säkularisierungsprozesses18 1.4 Familien als Schnittpunkte gesellschaftlicher Generationenverhältnisse20 1.5 Kulturelle Semantiken im religiös-weltanschaulichen Feld23 1.6 Religiosität und Generationendynamik26 2. Forschungspraxis und Methoden29 2.1 Forschung nach dem Systemumbruch - Methodische Überlegungen zur Erschließung der Lebensrealität in der DDR und in Ostdeutschland29 2.2 Vertrautheit, Distanz und Vertrauenswürdigkeit im Interview31 2.3 Verschränkung von Individual-, Familien- und Generationenperspektive: Das biographische Familieninterview36 2.3.1 Familienkommunikation im Interview37 2.3.2 Rekrutierung von Familien und Einzelpersonen für Interviews43 2.3.3 Zum Ablauf des Familieninterviews45 2.4 Biographische Einzelinterviews als weitere Erhebungsform50 2.5 Fragen des Samplings51 2.6 Zur Auswertung53 2.7 Zur Darstellung55 3. Generationenbeziehung und Familienkommunikation57 3.1 Der Generationenansatz59 3.1.1 Generation als historische Generation59 3.1.2 Generation als familiale Generation64 3.2 Gesellschaftliche und familiale Generationen in Ostdeutschland67 3.3 Generation als kulturelles Deutungsmuster - Zur Verknüpfung des familialen und historischen Generationenkonzeptes73 3.4 Generationenverhältnisse in der Familienkommunikation74 3.4.1 Familienkommunikation als Repräsentation familialer Geschlossenheit77 3.4.2 Generationendifferenzen und ihre kommunikative Bearbeitung83 3.4.3 Diskontinuitäten und Konflikte - Problematisierung von Differenz108 3.5 Fazit114 4. Religion im Konflikt: Ostdeutsche Familien zwischen Säkularisierung, kirchlicher Tradition und religiöser Neuorientierung117 4.1. Bestandsaufnahme der religiösen Entwicklung in der DDR und in Ostdeutschland117 4.2. Konfliktmodell des ostdeutschen Säkularisierungsprozesses120 4.2.1 Die ostdeutsche Säkularisierung als Problem der Religionssoziologie 120 4.2.2 Konflikttheoretische Perspektiven in der Religionssoziologie 125 4.2.3 Säkularisierung als Konflikt: Das Modell128 4.2.4 Säkularisierung als Konflikt: Der Fall der DDR131 4.3. Säkularisierungsprozesse in ostdeutschen Familien137 4.3.1 Konflikt um Mitgliedschaft und rituelle Partizipation139 4.3.2 Konflikt um Weltdeutungen147 4.3.3 Konflikt um Ethik und Moral154 4.3.4 Veränderung der Konfliktlinien in den Generationslagerungen158 4.3.5 Sicherung der Säkularität nach 1989164 4.4. Zwischen "Durchhalten" und "Jetzt erst recht". Strategien der Aufrechterhaltung von Religiositätund Kirchenbindung in der DDR167 4.4.1 Erhaltung und Behauptung der Kirchenbindung168 4.4.2 Zuwendung zur Kirche aufgrund ihrer politischen Rolle in der DDR179 4.4.3 Kirche und Kirchenbindung nach 1989185 4.5 Fazit193 5. "Was glauben Sie, kommt nach dem Tod?" - Große Transzendenz in der postsozialistischen Gesellschaft (mit Christine Schaumburg)197 5.1 Große Transzendenz in säkularisierten Kontexten197 5.2 "Was glauben Sie, kommt nach dem Tod?" 200 5.2.1 Christlich geprägte Semantiken: Vom Auferstehungsglauben zum "Offenlassen" der Möglichkeit eines Lebens nach dem Tode204 5.2.2 Atheistische Semantiken: Vom Ende der Person zum biologischen Kreislauf 207 5.2.3 Agnostische Spiritualität: Analogieschlüsse, Plausibilitäten, Semantiken212 5.3 Agnostische Spiritualität: Transzendente Orientierungen auf dem philosophisch-weltanschaulichen Markt223 6. Religiöse Neuorientierungen in der jüngsten Generation (mit Anja Frank)225 6.1 Ausgangslage225 6.2 Religiöse Neuorientierungen im Postsozialismus230 6.2.1 Religion als Kulturgut, Mythos und ästhetische Erfahrung231 6.2.2 Religion als Medium gesellschaftlicher Utopien und der Arbeit an sich selbst238 6.2.3 Religi
Leseprobe
1. Einleitung: Säkularität und Religiosität im Osten Deutschlands - Zur Logik der Aneignung forcierter Säkularisierung 1.1 Säkularisierung im Osten Deutschlands: Ein erfolgreiches Experiment Im Hinblick auf den Prozess der Säkularisierung erscheint die Entwicklung im Osten Deutschlands wie ein riesiges Experiment, das in relativ kurzer Zeit unter Realbedingungen durchgeführt wurde. Im ersten Teil des Experiments ging es darum, wie und in welchem Maße es dem Staat gelingen würde, die kirchlichen und religiösen Bindungen und Überzeugungen der Bevölkerung zu minimieren. Vor diesem Hintergrund erscheint der Prozess, der gegenwärtig im Gange ist, wie der zweite Teil des Experiments: Die Frage ist nun, was geschieht, nachdem die säkularistische Politik an ihr Ende gekommen ist. Was den ersten Teil des Experiments angeht, steht dessen Erfolg außer Zweifel: Es ist dem Staat gelungen, Kirchenmitgliedschaft, religiöse Praxis und Glaubensüberzeugungen der Bewohner auf einen weltweiten Tiefstand zu bringen. Ostdeutschland gehört zu den Regionen mit der niedrigsten Rate der Kirchenmitgliedschaft und dem höchsten Anteil von Personen, die sich selbst als "Atheisten" bezeichnen (Zulehner/Denz 1994; Tomka/Zulehner 1999: 27; 2000). Im Hinblick auf die gegenwärtige Entwicklung - um im Bild zu bleiben: den zweiten Teil des Experiments - ist zu sagen, dass die Politik des Staates auch insofern erfolgreich war, als es ihr gelang, einen dauerhaften Effekt zu erzeugen. Was einige Beobachter, insbesondere aus dem kirchlichen Bereich, nach der deutschen Vereinigung erwarteten, dass nämlich Sekten und religiöse Bewegungen die ostdeutsche Bevölkerung überfluten und verführen würden - eine Bevölkerung, die als gleichermaßen bedürftig nach Religion wie als unfähig angesehen wurde, die diversen Angebote zu beurteilen - trat offensichtlich nicht ein. Zwar hat sich die religiöse Landschaft in Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung merklich pluralisiert - gemessen an den verschiedenen Gruppierungen, die mittlerweile Dependancen in ostdeutschen Städten haben (vgl. zum Beispiel re.form leipzig 2003) - dennoch scheint dieser Landstrich von der vielfach beschworenen "Wiederkehr der Religion" (Graf 2004) insgesamt wenig berührt. Lediglich in den jüngeren Altersgruppen stellt sich die Sache mittlerweile etwas anders dar. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf mögliche Generationenunterschiede und deren Dynamiken. Durch die hartnäckige Säkularität des Ostens hat sich nach der Vereinigung auch die religiöse Verteilung in Gesamtdeutschland verschoben: Ein stabiles Drittel der Deutschen ist heute konfessionslos und - wenn auch damit nicht ganz deckungsgleich - etwa ein Drittel der Deutschen kann man auch als dezidiert "nicht religiös" bezeichnen (Wohlrab-Sahr 2009). Die Religionspolitik der SED scheint daher - was ihre langfristigen Folgen angeht - eines der erfolgreichsten Projekte der ehemaligen DDR gewesen zu sein. Das Experiment der nachhaltigen Säkularisierung scheint gelungen. Aber gibt es dann überhaupt noch etwas zu verstehen?
Inhalt
Inhalt Vorwort11 1. Einleitung: Säkularität und Religiosität im Osten Deutschlands - Zur Logik der Aneignung forcierter Säkularisierung13 1.1 Säkularisierung im Osten Deutschlands: Ein "erfolgreiches" Experiment13 1.2 Forcierte Säkularisierung und deren subjektive Aneignung14 1.3 Subjektive und familiale Logiken des Säkularisierungsprozesses18 1.4 Familien als Schnittpunkte gesellschaftlicher Generationenverhältnisse20 1.5 Kulturelle Semantiken im religiös-weltanschaulichen Feld23 1.6 Religiosität und Generationendynamik26 2. Forschungspraxis und Methoden29 2.1 Forschung nach dem Systemumbruch - Methodische Überlegungen zur Erschließung der Lebensrealität in der DDR und in Ostdeutschland29 2.2 Vertrautheit, Distanz und Vertrauenswürdigkeit im Interview31 2.3 Verschränkung von Individual-, Familien- und Generationenperspektive: Das biographische Familieninterview36 2.3.1 Familienkommunikation im Interview37 2.3.2 Rekrutierung von Familien und Einzelpersonen für Interviews43 2.3.3 Zum Ablauf des Familieninterviews45 2.4 Biographische Einzelinterviews als weitere Erhebungsform50 2.5 Fragen des Samplings51 2.6 Zur Auswertung53 2.7 Zur Darstellung55 3. Generationenbeziehung und Familienkommunikation57 3.1 Der Generationenansatz59 3.1.1 Generation als historische Generation59 3.1.2 Generation als familiale Generation64 3.2 Gesellschaftliche und familiale Generationen in Ostdeutschland67 3.3 Generation als kulturelles Deutungsmuster - Zur Verknüpfung des familialen und historischen Generationenkonzeptes73 3.4 Generationenverhältnisse in der Familienkommunikation74 3.4.1 Familienkommunikation als Repräsentation familialer Geschlossenheit77 3.4.2 Generationendifferenzen und ihre kommunikative Bearbeitung83 3.4.3 Diskontinuitäten und Konflikte - Problematisierung von Differenz108 3.5 Fazit114 4. Religion im Konflikt: Ostdeutsche Familien zwischen Säkularisierung, kirchlicher Tradition und religiöser Neuorientierung117 4.1. Bestandsaufnahme der religiösen Entwicklung in der DDR und in Ostdeutschland117 4.2. Konfliktmodell des ostdeutschen Säkularisierungsprozesses120 4.2.1 Die ostdeutsche Säkularisierung als Problem der Religionssoziologie 120 4.2.2 Konflikttheoretische Perspektiven in der Religionssoziologie 125 4.2.3 Säkularisierung als Konflikt: Das Modell128 4.2.4 Säkularisierung als Konflikt: Der Fall der DDR131 4.3. Säkularisierungsprozesse in ostdeutschen Familien137 4.3.1 Konflikt um Mitgliedschaft und rituelle Partizipation139 4.3.2 Konflikt um Weltdeutungen147 4.3.3 Konflikt um Ethik und Moral154 4.3.4 Veränderung der Konfliktlinien in den Generationslagerungen158 4.3.5 Sicherung der Säkularität nach 1989164 4.4. Zwischen "Durchhalten" und "Jetzt erst recht". Strategien der Aufrechterhaltung von Religiositätund Kirchenbindung in der DDR167 4.4.1 Erhaltung und Behauptung der Kirchenbindung168 4.4.2 Zuwendung zur Kirche aufgrund ihrer politischen Rolle in der DDR179 4.4.3 Kirche und Kirchenbindung nach 1989185 4.5 Fazit193 5. "Was glauben Sie, kommt nach dem Tod?" - Große Transzendenz in der postsozialistischen Gesellschaft (mit Christine Schaumburg)197 5.1 Große Transzendenz in säkularisierten Kontexten197 5.2 "Was glauben Sie, kommt nach dem Tod?" 200 5.2.1 Christlich geprägte Semantiken: Vom Auferstehungsglauben zum "Offenlassen" der Möglichkeit eines Lebens nach dem Tode204 5.2.2 Atheistische Semantiken: Vom Ende der Person zum biologischen Kreislauf 207 5.2.3 Agnostische Spiritualität: Analogieschlüsse, Plausibilitäten, Semantiken212 5.3 Agnostische Spiritualität: Transzendente Orientierungen auf dem philosophisch-weltanschaulichen Markt223 6. Religiöse Neuorientierungen in der jüngsten Generation (mit Anja Frank)225 6.1 Ausgangslage225 6.2 Religiöse Neuorientierungen im Postsozialismus230 6.2.1 Religion als K ...
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Religion in Ostdeutschland