Beschreibung
Waldkindergärten - Eine Idee aus den 68ern mit dem Leitsatz "Zurück zur Natur". Eine verrückte Idee von Ökos? Oder steht dahinter nicht vielleicht doch ein zukunftsfähiges Konzept der Elementarpädagogik? Gerade in den letzten Jahren gab es einen enormen Zuwachs an Neugründungen (die heutige Anzahl der Waldkindergärten in Deutschland liegt bei über 500), was darauf schließen lässt, dass die Waldkindergärten tatsächlich noch durch weitere Argumente als die der Umwelterziehung überzeugen. Nichtsdestotrotz erfährt das Konzept des Waldkindergartens in unserer Gesellschaft - insbesondere von Seiten der Politik - immer noch eine gewisse Skepsis. Die wohl gewichtigste Annahme ist dabei, dass die Kinder im Waldkindergarten nicht genug lernten und nicht ausreichend auf die Schule vorbereitet würden. Denn spätestens seit der PISA-Studie lastet ein enormer Druck seitens Politik und Medien auf den Kindergärten, der bei Eltern den Eindruck vermittelt, sie müssten ihr Kind am Besten im Alter von 3 Jahren eine Fremdsprache erlernen lassen und mit den Vorbereitungen auf die Schule beginnen. Einem Waldkindergarten stehen was diese Anforderungen anbelangt viele mit Vorbehalten gegenüber. Doch wie sinnvoll und kindgerecht ist diese frühe Wissensvermittlung überhaupt? Wie sieht Kindheit heute aus und was brauchen Kinder? Was kann das Konzept Waldkindergarten ihnen bieten? Wie kommen Waldkindergartenkinder in den späteren Schulen zurecht? Hierzu wurden Kinder, die vor 10 Jahren einen Waldkindergarten besuchten, sowie deren Mütter befragt. Das Buch gibt zunächst einen Überblick über das Feld der Vorschulerziehung, d.h. die entwicklungspsychologische sowie gesellschaftliche Situation von Kindern im heutigen Deutschland und die daraus resultierenden Anforderungen an die Pädagogik. Des Weiteren wird das Konzept Waldkindergarten sowohl theoretisch vorgestellt als auch ein Einblick in die Praxis gegeben, um dann zu überprüfen, ob es sich bei diesem Konzept um eine zukunftsfähige Form der Vorschulerziehung handelt.
Autorenportrait
Silvana Del Rosso (Jahrgang 1980) wuchs in einer ländlichen Gegend Rheinhessens auf und lebt heute in Berlin. Im Jahre 2008 schloss sie ihr Studium der Sozialen Arbeit an der Katholischen Fachhochschule NRW Münster erfolgreich mit dem Diplom ab. Bereits vor sowie während des Studiums war die Autorin in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien tätig. Ihr Interesse an alternativen Erziehungs- und Bildungsformen, die kritische Hinterfragung dieser sowie ihre eigene Naturverbundenheit motivierten die Autorin, sich mit dem Thema "Waldkindergärten" zu beschäftigen.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 3.2, Naturerleben und die Bedeutung des Waldes für Kinder: Ausgehend von der Erlebnispädagogik wird Erleben verstanden als subjektives Innewerden von Vorgängen, die als bedeutsam empfunden werden. Mehrere Erlebnisse summieren sich zu Erfahrungen. Erfahrung wiederum bedeutet das durch eigenes Erleben und eigene Anschauung erworbene Wissen. Aus Erfahrungen können dann schließlich Erkenntnisse und möglicherweise Einsichten wachsen. Unter Einsicht wird die höchste Stufe menschlicher Weisheit verstanden. D.h. die Basis aller Erkenntnisse und Einsichten sind Erlebnisse. Im Waldkindergarten stehen diese Erlebnisse im Vordergrund. Die Kinder verbringen jeden Tag draußen in der Natur und können sie direkt erleben.Das Naturerleben ist der emotionale Kern, der sich über die Phasen des Naturbeschreibens, des Naturerklärens und des Naturverstehens zu Umweltbewusstsein und Handlungsbereitschaft weitet. In umgekehrter Richtung wirken alle aktionalen und rationalen Bereiche auf die emotionalen Fähigkeiten, auf die Qualität und Spontaneität des Erlebens, auf den Reichtum des Erlebens zurück.Kindergartenkinder sind besonders empfänglich für Naturerfahrungen. Kein Alter, versichern Psychologen und Umweltpädagogen, sei geeigneter, ein lebenslanges intensives Verhältnis zur Natur aufzubauen. Kinder haben eine innige Beziehung zur Natur. Sie sind sehr offen und interessiert an der äußeren Welt, also auch an der Natur. Denn für sie ist alles neu, sie müssen sie erst erkunden und ihren Platz in der Welt finden. Später, in der Pubertät, sind sie dann viel mehr mit sich selbst beschäftigt.Dabei wird vom dreidimensionalen Persönlichkeitsmodell ausgegangen, nach welchem sich die Persönlichkeit des Menschen nicht nur aus der Beziehung zu sich selbst und zu anderen Menschen zusammensetzt, sondern auch die nicht-menschliche Umwelt eine Rolle spielt.Nach Mitscherlich ist das Kind noch arm an höherer geistiger Leistungsfähigkeit und ein weitgehend triebbestimmtes Spielwesen. Deshalb braucht es seinesgleichen wie Tiere und Elementares wie Wasser, Matsch, Gebüsche etc. Hat es dies nicht, überlebt es zwar, aber bestimmte soziale Grundleistungen wie das Zugehörigkeitsgefühl werden nie mehr erlernt.Untersuchungen zum Spielraum von Kindern zeigten, dass diese sich die Natur als Spielraum aussuchen. Haben sie die Wahl, bevorzugen sie es, in der Natur zu spielen. Haben sie nicht die Möglichkeit, wünschen sie es sich. Das liegt vor allem daran, dass sie dort ein großes Maß an Freizügigkeit haben und ohne die Kontrolle von Erwachsenen spielen und toben können.Kinder schätzen - und brauchen - also die Freizügigkeit und Unkontrolliertheit. Sie suchen sich Rückzugsorte, oft verbotene Räume wie Baustellen, Ruinen, Bahndämme etc.. Man denke nur an seine eigene Kindheit zurück und es fallen einem eine Menge solcher Spielorte in der Natur ein, die sehr einprägsam waren. Stadtkinder hingegen haben diese Möglichkeit des unkontrollierten Naturerlebens und Spielens in der Natur nicht. Sie dürfen nicht einfach raus auf die Straße, da es dort zu gefährlich ist (Autoverkehr, Verbrechen etc.).In der Natur und im Spielen in der Natur können sich bewusste sowie unbewusste Bedürfnisse der Kinder, die auch immer ihrer Entwicklung dienen, von alleine und ohne pädagogische Anleitung oder Zielsetzung erfüllen. Naturerfahrungen fördern auf der einen Seite die seelische Entwicklung und sind auf der anderen Seite Bedingung für ein umweltbewusstes Leben. Nur wer die Natur kennen und schätzen gelernt hat und sich als ein Teil von ihr sieht, wird sich für ihren Erhalt einsetzen.Umwelterziehung hat heute nicht mehr nur den ursprünglichen Sinn der Gegenbewegung zur Umweltzerstörung. Vielmehr soll sie Kinder zur Gestaltungskompetenz in der Welt befähigen. Sie sollen sich zurechtfinden im Spannungsfeld von Ökologie, Ökonomie und Sozialem und dazu befähigt werden, die Umwelt selbst zu gestalten. Darüber hinaus hilft die Natur bei der Findung eines realistischen Selbstbildes. Die geringe räumliche Eingrenzung im Wald ermöglicht es z.B., eigene innere Grenze mit medialen Repräsentationen der Wirklichkeit konfrontiert. Da Kinder auch zuhause oft nur Erfahrungen aus zweiter Hand machen (s. Punkt 1.4 dieser Arbeit), sollte der Kindergarten dem kompensatorisch entgegenwirken und ermöglichen, Erfahrungen mit konkreten Gegenständen und Lebewesen zu machen.Die meisten Menschen arbeiten heute in geschlossenen Räumen, leiden unter Lärm- und Stressbelastung und werden mit technischen Reizen überflutet. Gleichzeitig haben sie zu wenig Bewegung, frische Luft und Sonnenlicht.Auch wächst die künstliche Umwelt immer mehr (durch Bebauung und Technisierung) und die natürliche nimmt immer mehr ab. Befragt man einen Menschen, so stellt man fest, dass er daher eine Natursehnsucht und ein oft romantisiertes Bild der Natur hat. Im Wald können Kinder wie Erwachsene eine Zeit lang Abstand von der konsum- und leistungsorientierten Welt nehmen.Darüber hinaus gilt der Wald tatsächlich als Erholungsort und hat eine entspannende Wirkung. Ärzte sprechen sogar von einem Heilklima des Waldes, da man bei Asthma, Neurodermitis und Allergien gute Erfolge durch Aufenthalte im Wald erreicht hat. Dies ist zurückzuführen auf das besondere Waldinnenklima: die Luft weist eine hohe Feuchtigkeit auf und wird durch die große Baumkronenoberfläche wie durch einen Filter gereinigt, der Geruch ist aromatisch und durch Sonneneinstrahlung werden sogar stimulierende ätherische Öle der Pflanzen freigesetzt, man ist geschützt vor Lärm und Wind. Der Wald wird in diesem Zusammenhang auch beschrieben als reizarmes Schonklima. Von reizarm in Bezug auf die Sinne des Menschen kann jedoch nicht die Rede sein.Kapitel 3.3, Gewinn durch Verzicht: In Regeleinrichtungen gibt es vor dem Hintergrund der Suchtprävention das Projekt Spielzeugfreier Kindergarten. Ziel dabei ist es, den Kindern möglichst früh zu vermitteln, dass es andere Wege der Problemlösung gibt als die Ersatzbefriedigung durch Konsumgüter. Im Gegenzug sollen Lebenskompetenzen vermittelt werden, die die Kinder zu kritischen und eigenständigen Menschen machen. Es wird davon ausgegangen, dass bereits im Kindergartenalter auslösende Faktoren für ein späteres Suchtverhalten gelegt werden. Unter Sucht wird dabei nicht nur die Drogensucht verstanden, sondern auch die kleinen Alltagssüchte im Sinne einer Ersatzbefriedigung nicht erfüllter Bedürfnisse.Zudem soll der Verzicht auf monofunktionales Spielzeug und die Abwendung der Spielzeugüberflutung die Kreativität und Fantasie der Kinder fördern. Kinder brauchen vor allem das unfertige Material, also Dinge, die sie selbst gestalten und denen sie eine eigene Bedeutung zuordnen können. Nur so wird das eigene Denken und Handeln notwendig und somit auch die Kreativität gefördert. Durch elektronisches oder mechanisches Spielzeug bleibt den Kindern wenig Fantasie und eigene Handlungsmöglichkeit. Sie werden zum Beobachter und Knöpfchendrücker.Auch soll durch den Verzicht auf Spielzeug dem Gruppenzwang entgegengewirkt werden, der durch den voranschreitenden Konsum bereits den Kindergarten erreicht hat. Man muss das bestimmte Spielzeug von der bestimmten Marke haben, weil es alle haben und man dazu gehören möchte. Diese Ausgrenzung und das Erkaufen von Anerkennung und Beziehung soll durch den Spielzeugverzicht vermieden werden.Kindertageseinrichtungen, die das Projekt Spielzeugfreier Kindergarten durchgeführt haben, berichteten durchweg von positiven Ergebnissen und auch die Eltern konnten positive Veränderungen an ihren Kindern feststellen. Rahmenbedingung des Projektes ist, dass für einen Zeitraum von 3 Monaten alle Spielsachen aus der Einrichtung herausgenommen werden und die ErzieherInnen keine Anregungen zu Spielen oder Themen geben. Werkzeug und Materialien werden nur auf Anfrage der Kinder herausgegeben.Zu Beginn der spielzeugfreien Zeit wussten die Kinder oft nichts mit sich anzufangen und langweilten sich. Sie mussten ihre Potentiale erst wieder entdecken. Die Aufmerksamkeit ging jetzt wieder zum Menschen und keiner konnte sich hinter Spielzeug verstecken. Die Kinder entwickelten schnell viele Ideen. Sie wurden selbständiger und sel
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Da E-Books nur für eine begrenzte Zeit – in der Regel 6 Monate – herunterladbar sind, sollten Sie stets eine Sicherheitskopie auf einem Dauerspeicher (Festplatte, USB-Stick oder CD) vorsehen. Auch ist die Menge der Downloads auf maximal 5 begrenzt.