Beschreibung
Am Vorabend der Katastrophe.
Sein Steckbrief hängt öffentlich in der Kreisstadt aus, als Johann Schulz bei Verwandten in einem rheinhessischen Dorf Zuflucht sucht. Man beschuldigt ihn, bei einer Demonstration einen Polizisten getötet zu haben. Der ausgesetzte Kopflohn wird für die Dorfbewohner zur Versuchung, und es ist eine Frage der Gesinnung, wer den Polizistenmörder schließlich denunziert. Denn im Dorf werben die Nazis.
Man wird Augenzeuge des ersten Wachstums der Hitlerbewegung im Dorf. Die Dichterin hat keine These, die sie illustrieren will. Sie schildert nicht aus einem politischen Willen heraus, obwohl sie genau weiß, wohin sie gehört. Man gewinnt großes Vertrauen zu ihrem Bild, weil man Zeuge eines Naturprozesses zu sein glaubt. Die alten Bauern wollen nicht recht ran. Die Jungen werden verlockt von Uniformen, Autofahrten, Abenteuern und Keilereien. Es ist bei den Alten nicht viel Widerstand da, bei den Jungen ein vielfältiger Betätigungsdrang. Das sind einige Tendenzen des Prozesses, der viele Wurzeln hat, wie alles Lebende. Anna Seghers erzählt herb, schweigsam, mit seltener, bezaubernder Konzentration. Kein überflüssiges Wort, kein Sentiment, keine Reflexion der Erzählerin. Jedes Gespräch ist sparsam auf seine Grundlage gebracht. Das Neue Tagebuch.
Autorenportrait
Sonja Hilzinger, geboren 1955, studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Publizistik. Promotion 1985, Habilitation 1997. Sie ist Privatdozentin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Mainz, lebt in Berlin und arbeitet als freie Autorin und Hochschullehrerin. Herausgeberin der zwölfbändigen Werkausgabe Christa Wolfs sowie der Edition "Inge Müller. Daß ich nicht ersticke am Leisesein. Gesammelte Texte" (2002). Zahlreiche Veröffentlichungen, u. a. zum Werk von Anna Seghers: "Das siebte Kreuz" von Anna Seghers. Texte, Daten, Bilder (Hg., 1990), Anna Seghers (2000).
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