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Variationen über ein gegebenes Thema / Variatiuni pe o tema data: Gedichte. Deutsch / Rumänisch

Lyrik 170

POP
Erschienen am 16.05.2022, 1. Auflage 2022
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783863563646
Sprache: Deutsch
Umfang: 149 S., 1 Illustr., Abbildung Titelseite: Toamna s
Format (T/L/B): 1.5 x 20.2 x 14.3 cm

Beschreibung

Ich wusste, es war nur ein Kleid. Aber ich hatte es verdrängt. Erst als du beschlossen hast es auszuziehen erinnerte ich mich mit Angst daran. Und sofort fragte ich mich: "Warum mit Angst? Es ist nur ein Kleid obwohl die Leute so viele Jahrzehnte lang glaubten, das seist du." Jetzt endlich gibt es kein Missverständnis mehr. Es lag abgeworfen, zerknittert, verbraucht, abgenutzt ohne jede Verbindung zu dir fremd, unter Blumen. Ich vergaß es anzusehen und spürte deinen endlosen Blick der uns alle gleichgültig umschloss. Dich sah man nicht weil wie in dem Roman von Wells nur dein Kleid dich sichtbar machte und nur der Schnee auf deine Schulter auf deinen Kopf fallend deine Gegenwart verraten hätte. Aber es schneite nicht in der Kirche. Ich erinnere mich, dass ich mich einmal fragte ob wir zwei Schutzengel haben. Da wir immer zusammen sind, wäre es bloße Verschwendung. Einer für uns hätte genügt. Es kam mir nie in den Sinn dass wir uns trennen könnten und so der Engel gezwungen wäre zwischen uns beiden zu wählen oder dass einer von uns verzichten müsste. Sag es ganz offen, bereust du nicht, ihn mir zu überlassen nur mir allein? Wie zwischen Geist und Körper herrscht Verwirrung zwischen dem Sinn und dem Wort, das ihn verbirgt als wären sie unzertrennlich ein einziges Wunder. Während das Wunder gerade die Trennung ist der Augenblick, wenn das Fleisch des Wortes von den bleichen, trockenen Knochen des Sinnes abfällt und wir entdecken dass die Seele uns immer enger band als das Blut. In letzter Zeit ähnelt mein Leben einem Roman von Agatha Christie. Alles schien normal zu laufen, bis du auf einmal geheimnisvoll verschwunden warst. Dann, von Zeit zu Zeit, in immer kleineren Abständen, verschwand noch jemand, dann zwei, drei andere noch, bis alles anfing unheimlich zu werden und der Terror begann. Es vergeht keine Woche, ohne dass noch jemand für immer fort ist, und wir tun so, als würden wir nichts merken, aus Angst, man würde beobachten, wie man selber verschwindet. Du warst der erste. Vielleicht ging der Roman auch früher so, aber ich begann ihn erst zu lesen, als es um dich ging. Hin und wieder hielt zwischen uns die Zeit an. Wir traten aus ihr aus und waren nicht mehr zwei. Als hätten wir das Jüngste Gericht überwunden verstanden wir, was die Wildtiere sagen was die Grillen singen. Oder die zwei Teile einst auseinandergerissen kehrten einfach zurück in ein einziges Wesen: da waren wir zu zweit - ein Pflanzenpaar. Der sinnlosen Zeit zerfiel das Laub in tausend Blätter. "Ich habe einen Pakt mit dem Spiegel", sagtest du. "Er hat es mir geschworen bis zum Tod, dich immer so zu zeigen, wie ich dich sehe". Und jahrzehntelang blieb dir der Spiegel treu und zeigte mich nur im Licht deiner leuchtenden Träne wie in den Märchen verjüngt vom Wasser des Lebens. Jetzt sehe ich mich im Spiegel und warte mit Angst auf die Veränderung. Aber es passiert nichts: was für ein wunderbarer Beweis dass du nicht aufhörst mich anzusehen. Wir treffen uns wie in einer hohlen Kugel aus Seifenwasser die aufzublasen mir manchmal gelingt glänzend, durchsichtig mit uns darin strahlend vor Glück und wissend: es ist nur für ein paar Sekunden. Alles ist so seltsam dass, wer weiß, ob dort eine Sekunde nicht Millennien dauert. Sanft schwingen himmlische Klänge noch kein Gesang. Rhythmisch atmen die Worte ein das öde Vergessen des Seins. Eine taumelnde Stille in kunstvollen Fetzen lebendig aus dem Gedächtnis uralter Riten gerissen. Längst verwaiste Worte rufen die Eltern, die jetzt Geister sind - älter werdend höre ich sie und fühle mich als Urahnenkind. Wenn wir wie einst noch Mikrophone im Haus hätten, würde man mich beim Abhören sicher für verrückt halten

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