Beschreibung
Amerika 1920: Harriet Sherwood hat ihre Großmutter Bebe immer bewundert. Aber sie hätte nie gedacht, dass ihre Entscheidung, in die Fußstapfen ihres großen Vorbilds zu treten und für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen, sie ins Gefängnis bringen würde. Genauso wenig, wie sie erwartet hätte, dass ausgerechnet ihr alter Widersacher aus Kindertagen, Tommy O'Reilly, sie eines Tages verhaften würde. In ihrer Gefängniszelle hat Harriet jede Menge Zeit darüber nachzudenken, wie es bloß zu ihrer Verhaftung hat kommen können. Wie ist sie zu dem Menschen geworden, der sie heute ist? In ihr steigen lange vergessene Erinnerungen an die drei Generationen von Frauen auf, die sie geprägt haben: Ihre Urgroßmutter Hannah, die Sklaven bei der Flucht half, ihre Großmutter Bebe, eine treibende Kraft in der Abstinenzlerbewegung, und ihre Mutter Lucy. Alle drei Frauen besaßen eine ungeheure innere Kraft - und einen tiefen Glauben an Gott. Kann ihr Vermächtnis Harriet helfen zu erkennen, worauf es im Leben wirklich ankommt?
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Hersteller: Francke-Buch GmbH
Stefan Jäger
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Autorenportrait
Lynn Austin ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und lebt in Holland, Michigan. Ihre zahlreichen Romane sind allesamt Bestseller und mit unzähligen Preisen ausgezeichnet worden. In Deutschland gilt sie als die beliebteste christliche Romanautorin.
Leseprobe
Kapitel 1 Es war schon paradox. Ich lag in meiner Gefängniszelle auf der unteren, quietschenden Eisenpritsche eines Stockbetts, starrte zu der fleckigen Matratze über mir hinauf und dachte an den Tag, an dem ich zum ersten Mal die Bedeutung des Wortes paradox verstanden hatte. Ich musste einfach über die. na ja, über die paradoxe Tatsache schmunzeln, dass die Geschichte sich zu wiederholen schien. Die Bedeutung war mir vor ziemlich genau zehn Jahren klar geworden, an dem Tag, an dem meine Großmutter, Beatrice Monroe Garner, verhaftet worden war. Dieser Tag war ebenfalls ein Samstag gewesen - wie der heutige Tag. Meine Mutter hatte beinah einen Nervenzusammenbruch erlitten. Schließlich würde Grandma Bebe, wie wir sie nannten, am nächsten Tag den Gottesdienst verpassen, wenn mein Vater nicht zum Gefängnis ging und ihr aus der Patsche half. 'Sie kann doch nicht den Sonntag im Gefängnis verbringen!', hatte meine Mutter wieder und wieder gejammert. 'Bitte, John. Wir müssen sie da rausholen!' Während ich mich an damals zurückerinnerte, wurde mir mit einem Mal bewusst, dass ich in dieser Woche vermutlich auch nicht am Gottesdienst würde teilnehmen können. Ob sich wohl spontan jemand bereit erklären würde, meine Sonntagsschulklasse mit den zehnjährigen Mädchen zu übernehmen? Wäre mein Vater jetzt hier, würde er zweifellos sagen: 'Du hättest dir um ihr Wohlergehen Gedanken machen sollen, bevor du dich in Schwierigkeiten gebracht und verhaften hast lassen, Harriet.' Als Grandma Bebe damals im Gefängnis gelandet war, war ich genauso alt gewesen wie meine Sonntagsschulmädchen. Meine Schwester Alice und ich hatten gerade mit unseren Eltern am Frühstückstisch gesessen, als das Telefon klingelte. Damals, im Jahr 1910, war das Gerät noch nagelneu gewesen, und wir hatten alle aufgehört zu essen und gespannt gewartet, ob das Amt unseren Gemeinschaftsanschluss dreimal kurz läuten lassen würde. Als das der Fall war, nahm meine Mutter die Hörmuschel vom Haken und hielt sie sich ans Ohr, wobei sie sich auf die Zehenspitzen erheben musste, um in das kleine kegelförmige Mundstück sprechen zu können. Kaum hatte sie den Hörer wieder eingehängt, brach sie in Tränen aus. 'Das. das war. die Polizei!', brachte sie zwischen ihren Schluchzern heraus. 'Sie haben meine Mutter verhaftet und. und. sie ist im Gefängnis!' Meine ältere Schwester sog scharf die Luft ein. Sie war von der empfindsamen Sorte Mädchen, die ständig seufzten oder die Luft anhielten. 'Verhaftet! Aber warum? Was hat Grandma denn getan?' 'Wie können die ihr das nur antun?' Meine Mutter weinte. 'Sie ist doch keine Verbrecherin!' 'Gibt es noch Kaffee?', fragte mein Vater ruhig. 'Ich hätte gerne noch eine Tasse, wenn es dir recht ist.' 'Oh, John! Wie kannst du jetzt Kaffee trinken? Ist es dir denn vollkommen egal, was mit meiner Mutter passiert?' 'Beatrice Garner schert sich kein bisschen um den Ruf ihrer Familie, warum sollte es mich also kümmern, was mit ihr geschieht? Sie wusste, mit welchen Folgen sie rechnen muss, wenn sie zusammen mit ihren Abstinenzler-Freundinnen herumläuft und Whiskeyfässer zerschlägt. Sie hat sich diese Suppe selbst eingebrockt, als sie beschloss, eine zweite Carrie Nation zu werden. Jetzt muss sie sie auch auslöffeln.' Seine Worte riefen bei meiner Mutter einen neuerlichen Tränenschwall hervor. Alice stand auf, um sie zu trösten. Mein Vater hingegen seufzte nur tief und reichte mir seine leere Tasse. 'Schenk mir doch bitte noch etwas ein, Harriet. Sei so gut.' Unser Mädchen hatte an diesem Vormittag frei, also ging ich gehorsam mit seiner Tasse in die Küche, um sie erneut mit Kaffee zu füllen. Doch ich kehrte so schnell wie möglich an den Tisch zurück, setzte mich wieder hin und wartete auf den zweiten Akt des Dramas. 'Bitte, John, ich flehe dich an', bettelte meine Mutter. 'Bitte hol sie aus diesem schrecklichen Gefängnis.' 'Und was noch dazukommt.', knüpfte mein Vater nahtlos an seine vorherige Argumentation an, '. was für ein Vo