Beschreibung
Anbetung ist ein Weg unseres Herzens zu Gott und Gottes Weg zu unseren Herzen - so formulierten es zwar bereits die Kirchenväter, aber es gibt heute darüber auch viel Unsicherheit. Ein Buch für Gemeinden, die auf der Suche sind nach neuen Wegen, Gott anzubeten. Aber auch für Skeptiker, die wissen wollen, ob wirklich mehr dahinter steckt als nur ein paar neue Lieder. Und ein Buch für Anbetungsleiter, die Menschen mitnehmen möchten auf diesem Weg zu Gottes Herz.
Autorenportrait
Guido Baltes ist Anbetungsleiter im Christus-Treff Marburg und Dozent für Neues Testament am mbs Bibelseminar. Seit vielen Jahren begleitet er Gemeinden und Lobpreisteams auf ihrem Weg, Anbetung und Lobpreis so zu gestalten, dass es der eigenen Identität und zugleich den Herausforderungen einer veränderten Welt entspricht.
Leseprobe
Von der Enge in die Weite: Die Vielfalt der Anbetung Die erste Herausforderung für Gemeinden und Anbetungsleiter besteht darin, dass wir unsere Vorstellung von dem, was Anbetung eigentlich ist, erweitern müssen. Zu oft bleiben wir bei dem stehen, was wir kennen. Was wir gesehen und erlebt haben und was uns vertraut ist. Und dann versuchen wir, das möglichst gut oder sogar perfekt nachzumachen. Oder aber wir wenden uns enttäuscht und gelangweilt von dem ab, was wir als Anbetung kennen, weil es uns zu gewöhnlich und zu vertraut erscheint. Aber was wäre, wenn das, was wir kennen, noch gar nicht alles ist? Was wäre, wenn unser Bild von Anbetung noch viel zu begrenzt und eingeschränkt ist? Wenn da noch vieles hinter dem Horizont läge, was wir bisher nicht entdeckt haben? Und wenn die Abneigung oder auch Langeweile und Ermüdung, die sich bei manchen eingestellt hat, wenn es um das Thema Anbetung geht, in Wirklichkeit daher kommt, dass wir noch gar nicht richtig angefangen haben, das unbekannte Land der Anbetung zu entdecken? In diesem ersten Kapitel möchte ich einige Missverständnisse ansprechen, die mir oft begegnen, wenn es um das Thema Anbetung geht. Missverständnisse, die sich bei Fans und Kritikern in gleicher Weise finden. Missverständnisse, die unseren Blick oft unnötig einengen. Und ich möchte versuchen, den Blick zu öffnen für ein weiteres, vielfältigeres und ganzheitlicheres Verständnis von Anbetung. Anbetung mehr als Lieder singen? Ein erstes Missverständnis, das mir oft begegnet, könnte man so zusammenfassen: Anbetung ist, wenn man Lieder singt. Oder etwas genauer: Anbetung ist, wenn man eine bestimmte Sorte von Liedern singt. Also zum Beispiel Lieder auf einer Leinwand statt aus einem Liederbuch. Lieder mit Band statt Lieder zur Orgel. Oder Popmusik statt Choral. Dieses Missverständnis findet sich bei den Anbetungsfans ebenso wie bei den Anbetungsskeptikern. Die Fans sagen: Wir machen jetzt in unserer Gemeinde endlich auch mehr Lobpreis!, und sie meinen damit: Wir singen jetzt andere Lieder als früher. Auf Freizeiten und Konferenzen hört man am Rande immer öfter die Frage: Wer hat Lust, heute Abend noch ein bisschen Lobpreis zu machen?, und gemeint ist eine spontane Versammlung am Lagerfeuer mit möglichst vielen Gitarren und Liederbüchern und ganz viel Singen. Menschen entdecken Lieder als einen Weg zu Gott, der ihnen mehr liegt als Predigten, Gebete oder das Bibellesen. Und sie sind begeistert. Die Kritiker dagegen stehen daneben und klagen: Warum müssen wir heute denn immer fünf Lieder singen, wo früher eines reichte? Und dann so viele, die ich nicht kenne? Noch dazu mit Musik, die für mich zu modern und für die meisten Menschen meiner Nachbarschaft nicht modern genug ist? Waren denn die Lieder, die wir früher gesungen haben, keine Anbetung? Und was mache ich, wenn ich kein musikalischer Mensch bin oder wenn die Musik, die ich am Sonntag im Gottesdienst höre, nicht meinem Geschmack entspricht? Ist dann Anbetung nichts für mich? Eine richtige Einsicht Die Wahrheit ist: Beide, die Fans wie die Kritiker, haben oft ein viel zu enges Bild von dem, was Anbetung ist. Wenn wir Anbetung mit Liedersingen verwechseln, dann haben wir erst angefangen zu verstehen, worum es eigentlich geht. Und es lohnt sich, weiterzudenken. Aber fangen wir einmal mit dem Positiven an: Richtig ist, dass Anbetung in der Tat sehr viel mit Liedern zu tun hat. Und das nicht nur in unseren heutigen Gemeinden und Kirchen, sondern das war auch in der Bibel schon so. Wo immer Menschen anfangen, Gott gemeinsam zu loben und anzubeten, ist Musik nicht weit entfernt: Angefangen beim Auszug aus Ägypten (2. Mose 15) über die Gottesdienste im Tempel von Jerusalem (2. Chronik 5,11-14), das letzte Abendmahl Jesu (Matthäus 26,30), die urchristlichen Gemeinden (1. Korinther 14,15) bis hin in die himmlischen Szenen der Offenbarung (15,3). Allein die Zahlen der Musiker im Tempel von Jerusalem sind beeindruckend: 4000 Musiker (1. Chronik 23,5) 288 Sänger, allesamt Meister (1. Chronik 25,7) 120 Priester in der Bläsersektion (2. Chronik 5,12) Man kann also wohl kaum sagen, dass Lieder und Musik für die Anbetung unwichtig seien. Im Gegenteil: Sie sind vermutlich die wichtigste Ausdrucksform der Anbetung, in der Bibel und durch die Geschichte bis heute. Musik als Sprache des Herzens Anbetung ist also zwar nicht dasselbe wie Liedersingen, aber Lieder sind eine wichtige, vielleicht die wichtigste Ausdrucksform der Anbetung. Sie sind die Sprache, in die wir unsere Anbetung kleiden. Und das ist eine wichtige Einsicht. Musik in der Anbetung war Gottes eigene Idee und nicht einfach eine zufällige Entscheidung von Menschen. Gott sagte seinem Volk, noch während es auf dem Weg ins gelobte Land war: Wenn ihr fröhlich seid an euren Festen und an euren Neumonden, sollt ihr mit den Trompeten blasen. (4. Mose 10,10) Warum ist das so? Warum ist Musik so zentral und wichtig für unsere Gottesbegegnung? Wenn ich diese Frage in Gemeinden stelle, dann kommen immer wieder dieselben Erfahrungen zur Sprache, die Menschen aller Altersgruppen und Kulturen gemeinsam ist. Ich formuliere sie hier einmal mit Worten eines der wohl größten Musiker unserer Zeit, des Violinisten Yehudi Menuhin (1916-1999): Das Singen ist die eigentliche Muttersprache aller Menschen: denn sie ist die natürlichste und einfachste Weise, in der wir ungeteilt da sind und uns ganz mitteilen können - mit all unseren Erfahrungen, Empfindungen und Hoffnungen. Das Singen ist zuerst der innere Tanz des Atems, der Seele, aber es kann auch unsere Körper aus jeglicher Erstarrung ins Tanzen befreien und uns den Rhythmus des Lebens lehren. Das Singen entfaltet sich in dem Maße, wie es aus dem Lauschen, dem achtsamen Hören erwächst. Singend können wir uns darin verfeinern, unsere Mitmenschen und unsere Mitwelt zu erhören. Immer geht uns der Gesang eines Menschen unmittelbar an, wächst ein Verstehen, Teilhaben und Begreifen über alle Begriffe hinaus. Das ist meines Erachtens nur möglich, weil im Singen sich das menschliche Doppelwesen offenbart: Singen gehört fraglos zur Natur des Menschen, so daß es gleichsam keine menschliche Kultur gibt, in der nicht gesungen würde. In einer Zeit, in der die natürlichen und geistigseelischen Vermögen der Menschen immer mehr zu verkümmern scheinen, so daß möglicherweise unsere Zukunft überhaupt bedroht ist, brauchen wir notwendig alle nur möglichen Quellen der Besinnung, die uns offen stehen. Singen birgt nun unvergleichlich das noch schlummernde Potential in sich, wirklich eine Universalsprache aller Menschen werden zu können. Es sind vor allem drei Aspekte der Musik, die Menschen in meinen Seminaren immer wieder zur Sprache bringen: die Ganzheitlichkeit, die Gemeinschaftlichkeit und die Kreativität. Anbetung und Musik (1): Ganzheitlich Gott begegnen Musik und Lieder helfen uns, unserem Herzen in einer Weise Ausdruck zu verleihen, für die Worte allein nicht ausreichen würden. Das ist eine alte Erfahrung der Menschheit, die sich vor allem im Phänomen der Liebeslieder zeigt. Words dont come easy hieß ein Nummer-eins-Hit von F. R. David in meiner Jugendzeit. Worte fallen mir nicht so leicht, klagte der Arme darin, und deshalb schreibe ich dir lieber dieses schlichte Liebeslied. Und Tim Bendzko fasste die gleiche Erfahrung im Jahr 2011 in seine eigenen Töne. Musik berührt Tiefenschichten unserer Seele, an die Worte allein nicht heranreichen. Diese Erfahrung kennen wir alle aus unserem persönlichen Erleben. Filmemacher und Werbeproduzenten haben diese Macht der Musik längst erkannt, ebenso wie die Kaufhäuser, die uns durch unauffällige Hintergrundmusik im Fahrstuhl in eine entspannte und kauffreudige Stimmung versetzen. Psychologen, Pädagogen und Hirnforscher haben sich eingehend damit beschäftigt, wie Musik unsere Gefühle und Stimmungen prägt. Wer singt, betet doppelt, so wird der Kirchenvater Augustinus oft zitiert, auch wenn er dies...