Beschreibung
Billige Zutaten, teuer und einfallsreich vermarktet - gegen das "Prinzip Schokoladenriegel" Die Industrie hat unser Essen standardisiert: Die immergleichen Grundstoffe werden mit Geschmacksverstärkern, zweifelhaften Aromen und Zucker aufgepeppt. Schwammige Gesetze öffnen Tür und Tor für gezielte Irreführung der Kunden. Unsere Ernährung wird immer künstlicher, unsere Geschmacksnerven werden von Kindheit an auf Chemikalien und Süßstoffe abgerichtet. Tanja Busse zeigt, wie ein Menü im Jahre 2020 schmecken wird, wenn wir uns nicht eines Besseren besinnen. Die Folgen der Fehlentwicklung sind fatal: 1,6 Milliarden Menschen, so schätzt die Weltgesundheitsorganisation, gefährden durch Übergewicht ihre Gesundheit. Fast genauso viele leiden Hunger. Beide Phänomene hängen eng zusammen. Die jahrelange Bevorzugung der großen Plantagen hat die kleinen Bauernhöfe verdrängt, die für die Ernährung gerade der Ärmeren unentbehrlich sind. Die Verbraucher aber beginnen zu erkennen, dass man auf Dauer Nahrung nicht wie Autos produzieren kann, und probieren vielfach und fantasievoll eine Rückkehr zu überschaubaren Formen der Nahrungsmittelherstellung. Ein Buch, das aufrührt, aber auch informiert und Wege aufzeigt, wie es besser geht.
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Leseprobe
Darf ich Sie zum Essen einladen? Am globalen Mittagstisch mit Gästen aus aller Welt und erlesenen Speisen, der ganzen Vielfalt, die Gärten, Wälder und Äcker unseres Planeten zu bieten haben, ach ja, und die Fabriken und Labore. Nehmen Sie doch Platz! Gleich hier vorne, wo die großen Porzellanteller stehen. Ja, genau, die mit dem goldenen Rand. Bitte wundern Sie sich nicht über die Tücher, die von der Decke auf den Tisch herabhängen, ein bisschen Sichtschutz ist ganz angenehm, Sie werden sehen. Gefällt Ihnen der Stoff? Ihr Stuhl kommt ihnen so breit vor? Im Vergleich zu denen auf der anderen Seite des Tisches? Machen Sie es sich nur bequem! Was wäre das für ein groteskes Bild, wenn alle Menschen der Welt an einem globalen Mittagstisch Platz nähmen: fast zwei Milliarden Übergewichtige, eine Milliarde Hungernde und all die anderen, die Gourmets und Junk-Food-Esser, die Fehlernährten und die Verunsicherten. Es ist genug Essen da für alle an diesem globalen Mittagstisch. Wir ernten und produzieren mehr Lebensmittel als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit - reichlich genug für jeden von uns 6,9 Milliarden: Noch nie wurde so viel produziert, noch nie waren so viele Menschen so dick, und noch nie haben so viele gehungert. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass mehr als 400 Millionen Menschen fettleibig sind und mehr als 1,6 Milliarden übergewichtig. Viele von ihnen werden vorzeitig sterben, weil sie zu viel und zu ungesund essen: Fast food und Fertignahrung, zu fettig, zu salzig, zu einseitig. Gleichzeitig hungern mehr als 1 000 000 000. Jeder Siebte. Das bedeutet: Sechs bekommen zu essen und einer nicht. Wenn wir uns für das globale Mittagessen eine Stunde Zeit nähmen, fielen etwa 4000 von uns während des Essens tot von ihren Stühlen. Verhungert. Geschähe das bei uns zu Hause, am Küchentisch vor unseren Augen: Wir würden es verhindern. Wir ließen nicht zu, dass jemand uns aus einem hohlen, faltigen Gesicht anschaut, von Tag zu Tag schwächer wird und schließlich stirbt, während wir uns eine Pizza in den Ofen schieben. Niemand von uns könnte solches Leid mit ansehen. Wäre der Schmerz der Eltern über ihre verhungerten Kinder, die Trauer der Kinder über ihre verhungerten Eltern nicht stumm und weit weg, es läge ein Klagen über der Erde, so laut, dass es uns die Ohren zerreißen würde. Gelegentlich haben wir ein schlechtes Gewissen: Wir leben im Überfluss, und die Afrikaner hungern. Unsere Supermärkte haben das reichhaltigste Angebot aller Zeiten, während südlich der Sahara die Felder verdorren. Hier gelingt, was dort misslingt, so denken wir. Aber das ist falsch. Der Welthunger ist weniger eine Folge von Naturkatastrophen und korrupten Regierungen, sondern vor allem Teil unseres Weltwirtschaftssystems. Und das bedeutet: Wir essen den Hungernden den Teller leer. Der globale Mittagstisch ist keine gefühlsduselige Erfindung zur Erweckung eines weltweiten Gemeinschaftsgefühls, zur Erregung unseres Mitleids für die Armen am anderen Ende der Welt, mit denen uns sonst nichts verbindet. Der globale Mittagstisch ist ökonomische Realität: Die Agrar- und Ernährungswirtschaft ist längst ebenso globalisiert wie der Rest der Wirtschaft - und damit ebenso anfällig für globale Krisen. Der Hunger ist Teil des Systems, von dem wir profitieren. Der Weltagrarbericht - von der Weltbank in Auftrag gegeben, 2008 erschienen und seitdem von der Bundesregierung unter dem Tisch gehalten - zeigt, dass die einseitig auf Export und große Strukturen ausgerichtete Agrarpolitik für den Hunger auf dem Land verantwortlich ist. Diese Politik beschert uns übervolle Tische und marginalisiert die Kleinbauern. Sie aber -und nicht die großen Betriebe - sind das Rückgrat der Welternährung: Die Kleinbauern produzieren den größten Teil aller Lebensmittel - auf Höfen, die kleiner sind als zwei Fußballfelder. In unseren Lebensmitteln stecken - verarbeitet - die Öl-vorräte der arabischen und nigerianischen Erde, die abgeholzten Riesenbäume des in Leseprobe