Beschreibung
In Mexiko sind indigene Aktivist_innen, Bäuerinnen und Bauern, die sich für den Erhalt ihrer natürlichen Lebensgrundlagen einsetzen, regelmäßiger Repression ausgesetzt oder bezahlen ihr Engagement sogar mit dem Leben. Der Raubbau an den natürlichen Ressourcen und der Basiswiderstand gegen die fortschreitende Zerstörung der Umwelt sind Thema dieses Buches. Es geht um die opferreiche, aber zum Teil von Erfolg gekrönte Verhinderung der Abholzung von Wäldern, der Privatisierung des Trinkwassers, um die Verhinderung industrieller Megaprojekte und um den Widerstand gegen eine agroindustrielle Produktion, die schwere Gesundheitsschäden für die in der Nähe lebende Bevölkerung nach sich zieht. Die im Buch dokumentierten Fällen sind Beispiele von Konflikten größeren Ausmaßes.
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Autorenportrait
Luis Hernández Navarro, geb. 1955, ist Journalist und Leitartikler der renommierten linken Tageszeitung La Jornada. In den 70er Jahren war er Mitbegründer unabhängiger Gewerkschaften, später Berater unabhängiger Bauernorganisationen. Im Jahr 1995 nahm er in Chiapas als Berater für die Zapatisten an den Dialogrunden von San Andrés teil.
Leseprobe
Clenbuterol und die Fußballer Schmutzige Geschäfte werden auch auf andere Weise mit der Viehmast gemacht. In Mexiko gibt es aufgrund der Massenhaltung von Rindern ein gravierendes öffentliches Gesundheitsproblem. Am 17. Oktober 2011 stellte die Internationale Föderation des Verbandsfußballs (FIFA) fest, dass während der U-17-Fußballweltmeisterschaft, die im Juni und Juli in Mexiko gefunden hatte, 109 von 208 Spielern positiv auf Anabolika getestet worden waren. Laut Jiri Dvorak, dem Medizinischen Leiter der FIFA, gab es nur fünf Teilnehmerländer, bei denen kein Spieler in den Proben positive Ergebnisse zeigte. Nur wenige Tage zuvor hatte die Welt-Antidoping-Agentur (WADA) fünf mexikanische Fußballspieler vom Verdacht auf Doping freigesprochen, da man feststellen musste, dass sie Opfer eines in Mexiko grassierenden Gesundheitsproblems geworden waren. Die Spieler waren im Vorfeld des CONCACAF-Goldcups in den USA positiv auf Clenbuterol getestet worden. Anstatt der Wirklichkeit ins Auge zu schauen, schrien die mexikanischen Behörden Zeter und Mordio. Rocío Alatorre, Beauftragte für Beweisführung und Risikomanagement der Bundeskommission für Gesundheitsrisiken, wies die Feststellung der FIFA rigoros zurück und sagte, die Berichte der FIFA gingen sie nichts an, da sie ihnen nicht vorliegen würden und daher auch nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden könnten. Die Viehzuchtindustrie tat es ihr gleich. Álvaro Ley, Präsident der mexikanischen Viehzüchtergesellschaft, garantierte, dass 97 Prozent des in Mexiko konsumierten Fleisches von TIF -zertifizierten Fleischmärkten stamme und strengen Kontrollen durch die Pflanzen- und Tierschutzkommission Senasica und die Kommission zum Schutz vor Gesundheitsgefahren Cofepris unterliege. Aber das Problem existiert, und es wiegt schwer. So schwer, dass der Gesundheitssekretär Salomón Chertorivski zugab, dass aufgrund einer Überprüfung von 50 Fleischherstellern nach der FIFA-Anzeige neun geschlossen werden mussten, da es sich als erwiesen herausstellte, dass dort Unregelmäßigkeiten auftraten, Clenbuterol zum Einsatz kam und unhygienische Bedingungen herrschten. Bei fast 20 Prozent! Gegen die Erklärungen von offizieller Seite liegen belastende Zeugenaussagen über den Einsatz des Medikaments in Mexiko vor. Erst im Juni 2011 sagte Octavio Nájera García, Präsident der Vereinigung der Viehzüchter und Landwirte von Veracruz (Agave): Ich gehe davon aus, dass mehr als 50 Prozent des in Veracruz konsumierten Fleischs Clenbuterol enthält. Das Steroid ist in der mexikanischen Fleischindustrie wegen seiner gesundheitsschädigenden Wirkung verboten. Trotzdem kommt es massiv zum Einsatz, denn die Viehzüchter_innen können großen Nutzen daraus ziehen, und es kostet sie nicht viel. Ihnen ist es egal, dass sie die Gesundheitsvorschriften verletzen, denn die Gewinne sind groß und das Risiko gering. Clenbuterol ist ein Arzneimittel, das in der Mast als künstlicher Wachstumsbeschleuniger eingesetzt wird. Bei Rindern, Schweinen und Geflügel hat es zur Folge, dass Nahrung besser in Körpermasse umgesetzt wird, weil es das Muskelwachstum fördert und die Fetteinlagerung reduziert, wobei gleichzeitig weniger Nahrung aufgenommen werden muss. Das bedeutet, dass die Viehzüchter_innen bei weniger Fütterung mehr Kilo Körpergewicht erhalten. Mischt man 4,8 Gramm des Mittels mit einer Tonne Tierfutter, kann das Gewicht pro Rind um 1,7 Kilo pro Tag gesteigert werden. Ein richtig gehaltenes und mit Qualitätsfutter ernährtes Rind braucht fünf Monate, bis es sein optimales Schlachtgewicht erreicht hat. Wird es mit Anabolika behandelt, kann es dieses Gewicht bereits nach drei Monaten erzielen. Außerdem zahlt man für das Mittel nur ein Zehntel dessen, was andere chemische Wachstumsbeschleuniger für Tiere kosten. Viele Verkäufer_innen und Händler_innen von Fleischprodukten in Mexiko setzen voraus, dass das Fleisch von chemisch gefütterten Rindern kommt andernfalls kaufen sie es nicht. Bei den Käufer_innen ist es modern geworden, fettfreies Fleisch nach amerikanischer Art zu konsumieren, im Stil Rib-Eye-, New-York- oder T-Bone-Steak. Um der Nachfrage gerecht zu werden, greifen die Produzent_innen häufig auf den Einsatz von Steroiden zurück. Tatsächlich kann die Sagarpa die Viehproduzent_innen gar nicht kontrollieren, da sie institutionell nicht dazu berechtigt ist und auch nicht ausreichend Personal dafür hat. Die ländlichen Fleischmärkte verfügen über wenig Infrastruktur. Dort werden keine Normen eingehalten. Wenn ab und an ein_e Viehzüchter_in wegen des Einsatzes von Clenbuterol festgenommen wird, muss er/sie eine lächerliche Strafe zahlen, die weit unter dem liegt, was er/sie damit verdient hat, und wird sodann schnellstmöglich wieder auf freien Fuß gesetzt. Außerdem gibt es für das Mittel einen wilden Schwarzmarkt, wo man es kilo- oder sackweise einkaufen kann. Seit zwanzig Jahren, verstärkt jedoch nach dem Inkrafttreten des NAFTA-Vertrags, fördert die Produktionskette der industriellen Landwirtschaft den Einsatz von Clenbuterol in Mexiko. Obwohl das Land über riesige Flächen verfügt, die für extensive Tierhaltung geeignet wären, entschied man sich für die Entwicklung eines intensiven Viehzuchtmodells in Ställen auf der Grundlage der Mast mit Getreide, Antibiotika und wachstumsstimulierenden Hormonen. Laut José Manuel González Mota, dem Präsidenten der Kommission für Agrarentwicklung des Kongresses von Aguascalientes, werden die Viehzüchter_innen, die für die Mast keinerlei Chemikalien einsetzen, schlicht und einfach vom Markt verdrängt, denn wenn sie dies nicht tun, können sie ihr Produkt nicht verkaufen, und der Beweis ist, dass hier in unserem Bundesstaat schon seit etwa 20 Jahren diese Substanz zum Einsatz kommt. Im Juli 2011 verurteilte ein chinesisches Gericht einen Menschen zum Tode und vier weitere zu langen Haftstrafen von lebenslänglich bis zu neun Jahren Haft, die für schuldig befunden worden waren, Fleisch von mit Clenbuterol behandelten Schweinen verkauft zu haben. Man warf ihnen vor, die öffentliche Gesundheit gefährdet zu haben. Auch wenn in Mexiko der Einsatz von Steroiden gesetzwidrig ist, genießen diejenigen, die sie an Mastvieh verabreichen, nahezu absolute Straffreiheit. Ein feiner Unterschied.