Beschreibung
Herbst 1990. Ein kleiner Junge steht staunend mitten in der Nacht unter dem Sternenhimmel. Vor ihm ragt der Ararat auf. Schlepper bringen ihn, seine Mutter, seine Tante und seinen älteren Bruder über die Grenze in die Türkei. Nach den politischen Unruhen im Iran war es für die Familie unsicher, im Land zu bleiben, eine Flucht erschien als die einzige Möglichkeit, den berüchtigten Folterungen im Land zu entkommen, die Oppositionellen drohte. Die Schrecken aus Gefängnissen wie Vakilabad oder Evin erfährt Saids Familie am eigenen Leib. Verstöße gegen Menschenrechte waren im Iran an der Tagesordnung. Nach einer anstrengenden Flucht wird die Familie in Deutschland wiedervereint. Doch die politische Verfolgung wird hier nur abgelöst durch rassistische Übergriffe und Demütigungen. Und dann taucht auch noch eine Liste mit Namen der Opfer aus den iranischen Todeslagern auf, die Said Boluri zugespielt wird - ein lebensgefährliches Dokument. Ein Wettlauf gegen den Geheimdienst nimmt seinen Lauf. Die Stärke dieses Buches ist seine Authentizität, ja Intimität. Seine sehr persönlichen, ergreifenden Schilderungen ergänzt Said Boluri mit Daten und Zahlen, die das Erlebte in einen größeren Zusammenhang einordnen. Sein Fall ist kein Einzelschicksal! (Günter Wallraff)
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Leseprobe
Auszug aus dem Vorwort zum Buch von Günter Wallraff Todeslisten. Kaum eine Diktatur bemächtigt sich nicht dieses Terror-Instruments. Todeslisten als versteckte oder offene Drohung gegen Oppositionelle. Todeslisten als Arbeitsauftrag an Geheimdienste, Paramilitärs, Militär oder Polizei. Todeslisten als deren Vollzugsmeldung. Said Boluri hat beides kennengelernt: die Schrecken des totalitären iranischen Mullah-Regimes wie auch nach der Flucht seiner Familie die Bedrohungen durch deutsche Neonazis. Sein Buch ist keine abstrakte, undifferenzierte Generalabrechnung. Er berichtet detailliert und zuweilen mit selbstkritischer Ironie über seine eigenen Erfahrungen und die seiner Familie mit den islamofaschistischen und politischen Extremisten - sachlich wie ein Chronist, aber durch seine persönliche Betroffenheit mit wachsender Spannung zu lesen. Es ist der Lebensbericht eines heute 40-Jährigen, der in frühen Jahren im Iran und später auch in Deutschland bereits als Schüler politische und rassistische Verfolgung erfahren musste. Obwohl er so häufig gedemütigt, gejagt und auch verhaftet wurde, hat er sich bemerkenswerterweise sein Diffe¬renzierungsvermögen wie seinen Freiheitswillen erhalten sowie Empathie und Menschlichkeit bewahrt. [] Said Boluri beschreibt diese Erfahrungen so authentisch, so unmittelbar und eindringlich, dass wir uns als Leser hineinfühlen in sein Leben, dass wir mitfühlen, und so das dunkle Kapitel iranischer Unterdrückung miterleben. [] Deutschland zeigt sich 1991 von einer Seite, wie sie damals und auch heute noch viele Flüchtlingsfamilien kennenlernen: Die ganze Familie wird zusammen in ein Zimmer gequetscht, die Erwachsenen sind zu Untätigkeit verdammt und scheitern fast zwangsläufig an einer unwilligen (und auch überforderten?) Bürokratie. Doch immerhin dürfen die Kinder am Schulunterricht teilnehmen und man muss sich nicht mehr vor der allgegenwärtigen brutalen Geheimpolizei fürchten. Allerdings wächst schnell eine neue Furcht heran: die Furcht vor dem Hass der neuen Nazis, der völkischen Reinheits-Bewahrer, der Brandstifter und Totschläger. In Duisburg wird Said Boluri von Neonazis mit dem Tode bedroht und durch die halbe Stadt gejagt. Nach dem, was wir in den letzten Jahren erfahren haben, existieren auch bei den Rechtsextremen Todeslisten (siehe NSU). [] Wenig später spielt sein Cousin, der seiner Verhaftung im Iran nur knapp entkommen konnte, Said Boluri eine Liste mit Namen zu. Eine Todesliste der iranischen Führung. Vollzugsmeldungen einer Schreckensherrschaft, geführt von den Sicherheitsbehörden. Eine Auflistung von Menschen, die das Regime verschwinden lassen und ermordet hat. Ein lebensgefährliches Dokument. []