Beschreibung
Sehr früh, mit nur 21 Jahren, begann Karl Gutzkow, die eigenen Reisen in Literatur zu verwandeln. Seine Reiseberichte aus Deutschland und Österreich sind herausragende Beispiele jungdeutscher Bewegungsliteratur: Sie beschränken sich nicht auf die Wiedergabe von Routen und Erlebnissen, sondern sie zeigen ein komplexes assoziatives Muster, das eine dynamische Verflechtung von Theatereindrücken, literarischen Reminiszenzen, politischen, kultur-historischen sowie soziologischen Ausschweifungen aufweist. Das wird am ,Reisetagebuche des jüngsten Anacharsis'' (1832) besonders ersichtlich, das in der Manier Jean Pauls verfasst wurde, sowie an den ,Reiseskizzen'' (1833/34), die in impliziter Konkurrenz zu Heinrich Laubes ,Reisenovellen'' entstanden. Gutzkows Reiseberichte sind zugleich auch darauf ausgerichtet, den genuinen Geist des Ortes ans Licht zu bringen: Während sich in den exklusiven Wohnstätten von ,Palläste und Hütten'' (1842) der Charakter ihrer vornehmen Bewohner widerspiegelt, so dienen die urbanen Erkundungen ,Kleine Reisebilder'' (1839) und Reise-Erinnerungen (1840) zur Ausarbeitung einer deutschen Kulturgeographie, die im konstitutionellen Württemberg ein Pendant zum absolutistischen Preußen hat. Somit bahnt sich jenes dichotomische Verhältnis zwischen Norden und Süden an, das in den ,Wiener Eindrücken'' (1845) auf den Kopf gestellt wird: Der nördlichen, deutsch-preußischen Aufklärung wird der südliche, österreichisch-bayerische Konservativismus entgegengesetzt, dessen scharfe Kritik Gutzkow teuer zu stehen kam. Als Abrundung dieses reiseliterarischen Bandes wird hier das Feuilleton ,Ein Tag in Leipzig'' (1850) zum ersten Mal neu abgedruckt, in dem Gutzkow die moderne Stimmung des Nachmärz unter die Lupe nimmt und mit unerschöpflichem kritischem Spürsinn den kapitalistisch-großdeutschen Ansatz der Leipziger Ausstellung anprangert. Diese textkritische Edition enthält ein Nachwort, ein Register der Namen und Titel, sowie ein Geographisches Register. In der Internetausgabe wird sie durch ein Kartenwerk ergänzt, in dem die Reiserouten im historischen Kontext rekonstruiert sind.
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Autorenportrait
Der Schriftsteller Gutzkow (1811-1878) besaß stets einen analytischen Blick für zeitgeschichtliche Entwicklungen. Sein Werk lag weitgehend unerschlossen in historischen Ausgaben und Zeitschriften, eine kommentierte Gesamtausgabe schien nicht realisierbar. Dank des Editionsprojektes konnte dieses Ziel angestrebt werden. Damit öffnen sich unbeschrittene Wege in die Sozial-, Kultur und Mentalitätsgeschichte von Jahrzehnten, die der Beobachter und engagierte liberale Publizist Gutzkow wie kein anderer registrierte.