Beschreibung
Eine tiefe und andauernde Lebenskrise, die den Dichter John Clare (1793-1864) erfasste, mündete 1837 in die Einweisung in eine private Nervenheilanstalt in High Beach, Essex. Vier Jahre später gelang dem damals 48-Jährigen, der heute als bedeutendster Chronist des englischen Landlebens gilt, die Flucht aus der Anstalt und er wanderte in einem schonungslosen Viertagemarsch fast 100 Meilen zurück in sein Heimatdorf in Northamptonshire. Seine legendären Erinnerungen an diese Flucht bilden das Zentrum des vorliegenden Buchs, das, eingerahmt von den beiden bekanntesten Gedichten Clares, auch autobiografische Fragmente umfasst und damit einen der großen Naturdichter englischer Sprache porträtiert. Ausgewählt und erstmals übersetzt von Esther Kinsky, stellen die hier versammelten Texte in ihrer existenziellen Dringlichkeit und hohen Verdichtung die Entdeckung einer im Deutschen bislang unbekannten Größe der europäischen Literaturen dar.
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Andreas Rötzer
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Autorenportrait
John Clare, geboren 1793 in Helpstone, Northamptonshire, war ein britischer Poet. Er stammte aus ärmlichen Verhältnissen und eignete sich einen Großteil seiner Bildung autodidaktisch an. Mit seinen Gedichtbänden Poems Descriptive of Rural Life and Scenery (1820) und Village Minstrel and other Poems (1821) genoss er schon zu Lebzeiten beträchtlichen Ruhm. Heute gilt Clare als »der größte Dichter der Arbeiterklasse, den England je hervorgebracht hat« (Jonathan Bate). Er starb 1864 im Alter von 71 Jahren in einer psychiatrischen Klinik. Esther Kinsky, 1956 in Engelskirchen geboren, lebt in Berlin und in Battonya/Ungarn, nahe der Grenze zu Rumänien und Serbien. Sie ist Schriftstellerin und Übersetzerin aus dem Polnischen, Russischen und Englischen (u. a. Henry D. Thoreau, Lob der Wildnis). 2009 war sie für den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse nominiert und erhielt den Paul-Celan-Preis. In dem Essayband Fremdsprechen (2013) reflektiert sie das Verhältnis von Texten und ihren Übersetzungen. Seit 2010 sind drei Gedichtbände erschienen: die ungerührte schrift des jahrs (2010), Aufbruch nach Patagonien (2012) und Naturschutzgebiet (2013). 2014 veröffentlichte sie den Roman Am Fluß, der ebenso wie ihr Roman Banatsko (2011) auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis stand, und 2015 mit dem deutsch-französischen Franz-Hessel-Preis ausgezeichnet wurde. Sie bekleidet im Wintersemester 2017/2018 die August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur Poetik der Übersetzung an der Freien Universität Berlin2015 wurde ihr der Kranichsteiner Literaturpreis zuerkannt. Aus der Preisbegründung: »Am Fluß ist ein Roman von packender Intensität. Mit behutsamer Präzision nimmt Esther Kinsky armselige Geschäfte, schäbige Reihenhäuser, Stadtbrachen und sumpfige Treidelpfade in den Blick, entwirft die Topographie eines Londoner Vororts und stößt auf Spuren der eigenen Vergangenheit. Durch ihre bildhafte Sprache gewinnt sie den Randbezirken der Wirklichkeit, die zu Abbildern eines seelischen Zustandes werden, poetische Facetten ab. Ihre mäandrierenden Erkundungen folgen den Ausläufern des River Lea und spülen Geschichten von seltsamer Schönheit an die Oberfläche.«2020 wurde sie mit dem Deutschen Preis für Nature Writing ausgezeichnet.