Beschreibung
Ein großes historisches Sittengemälde vom Hofe Marie Antoinettes Auf der Flucht erzählt Julienne ihrer neuen Herrin die Geschichte ihres bewegten Lebens: Als dreizehnjähriges unbedarftes Bauernmädchen kommt Julienne im Jahre 1775 an den Versailler Hof. Schon bald entdeckt sie hinter all dem Glanz und der Pracht Falschheit und Dekadenz. Trotz der drohenden Ereignisse bleibt sie jedoch mit ihrer Herrin am Hofe, und so verquickt sich das Schicksal der einfachen Zofe mit dem der letzten Königin von Frankreich.
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Autorenportrait
Karla Weigand wurde 1944 in München geboren. Sie arbeitete zwanzig Jahre lang als Lehrerin, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. Sie lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Freiburg.
Leseprobe
'Frauen stecken hinter allen Intrigen, und man sollte sie fern der Politik zu Hause einschließen. Man sollte ihnen verbieten, in der Öffentlichkeit zu erscheinen, außer in einem schwarzen Kleid und verschleiert.' Es war nicht etwa mein Ehemann, der diese Worte ausgesprochen hat - ich habe keinen, was ich keineswegs bedauere -, sondern unser aller Kaiser, Seine Majestät Napoleon der Erste. Seit dem 2. Dezember 1804, einem Sonntag, haben wir Franzosen, obgleich leidenschaftliche Republikaner, einen in der Kathedrale Notre Dame in Paris vom Papst gesalbten Herrscher. Wie ich den Gazetten entnommen habe, wollte unser Volk ebendies; für den Vorschlag, den Kaisertitel Napoleon Bonapartes erblich zu machen, stimmten dreieinhalb Millionen Franzosen, dagegen nur dreitausend. Das Königtum ist zerstört; den gesalbten König, bei dessen Inthronisation ich als junges Mädchen noch zugegen war, hat man auf die Guillotine geschickt. Kurz darauf folgte Königin Marie Antoinette ihrem Gemahl Ludwig XVI. aufs Schafott. Bei Napoleons Krönung war ich nicht dabei. Ich wünsche ihm und uns Franzosen alles Gute - hat der neue Kaiser doch geschworen, 'für das Wohl und das Glück und zum Ruhme des Volkes von Frankreich zu herrschen'. Die Floskel 'Wohl und Glück' gebrauchten alle französischen Herrscher; Napoleon hat sie um den 'Ruhm' erweitert. Nach langen Jahren des Schreckens, des Terrors, des Blutvergießens, der Angst und der Ungewissheit habe ich meinen persönlichen Frieden gefunden. Ich bin Gesellschaftsdame, Zofe und zugleich Freundin einer liebenswürdigen, jungen Dame, welche mir seit ihrer frühesten Kindheit vertraut ist; beide haben wir schlimme Zeiten überlebt. Seit dem Februar des Jahres 1807 erfreuen wir uns einer neuen Heimat in der Residenz Hildburghausen im südlichen Thüringen. Seit der Französischen Revolution sind adlige Emigranten aus Frankreich an deutschen Fürstenhöfen keine Seltenheit mehr. Herzog Friedrich und seine Gemahlin Charlotte haben meine Herrin und mich unter ihren Schutz genommen und über die Identität der Heimatlosen wird kein Wort verloren - wir führen ein Leben in Anonymität: Fahren wir aus, so trägt Madame einen schwarzen Schleier vor ihrem Gesicht. Unser Kaiser wäre entzückt. Sie hat ihr früheres Leben hinter sich gelassen und will nicht erkannt werden und ich unterstütze sie dabei. Gebe Gott, dass es mir gelingt. Meiner Herrin zuliebe habe ich meine Erlebnisse sowie die Ereignisse der letzten vier Jahrzehnte aufgeschrieben, wobei mir mein Tagebuch sehr zustatten kam. Sie selbst war ein Teil dieser Zeit, ist aber bestrebt, sich ein Bild vom Ganzen zu machen und ich will versuchen, ihr dabei behilflich zu sein, so gut ich es vermag. Vor ihrer Heirat mit dem Comte Édouard du Plessis, einem dreiundfünfzigjährigen Edelmann aus der Champagne, war die einundzwanzig Jahre alte Francine eine kleine Baronesse aus leidlich wohlhabendem, niederem Bauernadel. Sie wusste, wie es in einem Kuhstall roch, hatte Melken gelernt, die Hühner gefüttert und als Kind die zahlreichen Ziegen ihres Vaters gehütet. Im zeitigen Frühjahr half sie den Mutterschafen beim Lammen. Doch diese Fertigkeiten waren ihr später keinesfalls hilfreich. Denn die Gräfin du Plessis war auserwählt worden, eine der Hofdamen der Dauphine Marie Antoinette zu werden. Nachdem ihr Ehemann, Graf Édouard, seine Zustimmung gegeben hatte, war Madame Francine im Sommer 1775 in die gräfliche Reisekutsche gestiegen und hatte sich, begleitet von ihrer Zofe und beschützt von zehn Reitknechten, in das größte Abenteuer ihres Lebens gestürzt. Eigentlich hatte Babette, meine Mutter, diese Zofe sein sollen, aber vor einem halben Jahr war ihr Gatte Jacques Bertot, mein Vater, von einem wütenden Stier auf der Weide so schwer verletzt worden, dass er kurz darauf verstarb. Sein Bruder, Émile Bertot, zweiunddreißig Jahre alt, der gelegentlich jähzornige, aber ansonsten gutmütige Dorfschmied, hatte daraufhin seine Werkstatt auf unseren kleinen Hof verlegt. Es geh Leseprobe