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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783492055529
Sprache: Deutsch
Umfang: 58 S.
Format (T/L/B): 1.2 x 18 x 11.1 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Es ist nur ein merkwürdiges Detail auf einem Holbein-Gemälde, aber es ist der Auslöser. Beim viel zu üppigen Weihnachtsessen seiner Mutter fällt es Carl Tohrberg wieder ein, und er begreift. Ein Berliner Bäcker liebt eine japanische Geigerin und beschließt, es ihr mit der schönsten Torte der Welt zu sagen. Der pensionierte Richter Seybold lernt die andere Seite des Gesetzes kennen. Ferdinand von Schirach stellt auch in diesen Stories wieder sein Ausnahmetalent als Erzähler unter Beweis, über das Die Welt schrieb: 'Beim Lesen dieser Geschichten hatte man Glückserlebnisse wie sonst nur bei der Lektüre von Fitzgerald oder Capote, da sitzt jedes Wort, da ist alles an seinem Platz, Poesie durch Klarheit, im Leserkopf entsteht ein soghafter - man kann es nicht anders sagen - Film; die Figuren und ihre Geschichten in einer zwar warmherzigen Menschenkenntnis entwickelt, zugleich jedoch weht durch die Zeilen ein kühlklares Lüftchen der Vergeblichkeit, der Unausweichlichkeit menschengemachter Katastrophen.'

Autorenportrait

Der SPIEGEL nannte ihn einen »großartigen Erzähler«, die NEW YORK TIMES einen »außergewöhnlichen Stilisten«, der INDEPENDENT verglich ihn mit Kafka und Kleist, der DAILY TELEGRAPH schrieb, er sei »eine der markantesten Stimmen der europäischen Literatur«. Ferdinand von Schirachs Erzählungsbände »Verbrechen« und »Schuld« und seine Romane »Der Fall Collini« und »Tabu« wurden zu millionenfach verkauften internationalen Bestsellern, die bisher in mehr als 40 Ländern erschienen sind. Sein erstes Theaterstück »Terror« wurde parallel am Deutschen Theater Berlin und am Schauspiel Frankfurt uraufgeführt. Schirach wurde mit mehreren - auch internationalen - Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kleist-Preis. Seinen Erfolg erklärt die französische LIBÉRATION so: »Schirachs Meisterleistung ist, uns zu zeigen, dass - egal wie monströs dessen Taten zunächst scheinen mögen - ein Mensch doch immer ein Mensch ist.« Ferdinand von Schirach lebt in Berlin.

Leseprobe

Der Bäcker   Der 'Backshop' sah aus wie alle anderen dieser Kette, ein Franchiseladen, schlüsselfertig, nur ein paar durchdachte Quadratmeter. Die Teiglinge wurden jeden Morgen mit einem Lieferwagen gebracht, dann standen sie in grünen Plastikpaletten im Flur des Hauses und tauten langsam auf. Kuchen und Mandelhörnchen waren mit weißem Zuckerguss überzogen, der an den Fingern klebte. Der Kaffee kam aus einem Edelstahlblock, auf dem 'Kaffeespezialitäten-Vollautomat' stand. Die Maschine machte hässliche Geräusche, wenn sie die Milch einsaugte. Der Bäcker war dick, rotes Gesicht, kleine Hände, die Fingerknöchel nur Löcher im Handrücken. Im Geschäft trug er eine weiße Schürze, auf die Schulterbänder war das Logo des Unternehmens aufgenäht. Der Bäcker bewegte sich schnell, aber der Gang hinter der Auslage war zu schmal: Die Theke schnitt in seinen Bauch, und die Brotkrumen hinterließen dort einen Streifen. Der Bäcker gehörte zum Viertel, die Leute mochten ihn. Er war 47 Jahre alt. Als er jung war, hatte er die große Konditorei und das Café seines Vaters übernommen. Alles schien gut zu gehen, er hatte seine Meisterprüfung bestanden, geheiratet und einen Sohn bekommen. Das Haus am Rande der Stadt war neu, sie waren jedes Wochenende auf die Baustelle gefahren und hatten sich vorgestellt, wie sie dort leben würden. Der Bäcker war an diesem Tag, der alles veränderte, früher nach Hause gekommen, er hatte seine Frau überraschen wollen. Ein anderer Mann, größer und schmaler als er, mit hellen Haaren, stand in dem Eingang des Hauses. Der Bäcker kannte ihn, er war Verkäufer in einem Möbelhaus. Der Mann verabschiedete sich, während seine Frau hell auflachte und glücklich aussah, und der Bäcker wusste plötzlich, dass sie ihn betrogen hatte. Dann ging alles sehr schnell. Der Bäcker nahm den Spaten, der noch von der Gartenarbeit am Wochenende neben dem Eingang stand. Er schlug ihn in den Hals des Mannes. Es war Erde an der Spatenkante, und der Bäcker stellte sich vor, wie die Erde jetzt in dem Mann war. Dann sah er zu, wie das Blut aus dem Loch im Hals auf den hellen Teppich quoll und dort seltsame Muster bildete. Es ist ein sehr teurer Teppich, dachte er, viel zu teuer für uns. Im Möbelhaus hatte seine Frau gesagt, wie gut die 'Auslegeware' im Eingang aussehen würde, und er hatte ihr zugestimmt, weil es ihm unangenehm war, vor dem Verkäufer über Geld zu reden. 'Entree', hatte seine Frau ständig zu dem Verkäufer gesagt, nicht 'Eingang' wie der Bäcker. Sie hatte mit dem Verkäufer geflirtet, und der Bäcker war sich dumm vorgekommen, aber jetzt lag der Verkäufer vor ihm auf dem Boden, und ein Stück von seinem Hals fehlte. Irgendwann kam kein Blut mehr, und der Bäcker dachte, dass der Verkäufer nun ganz leer sei und dass es eine komische Art sei zu sterben. Der Staatsanwalt sagte später in der Hauptverhandlung, es sei ein tragischer Irrtum gewesen: Der Mann sei nicht der Liebhaber seiner Frau gewesen, er habe nur das Wohnzimmer ausgemessen. Der Gerichtspsychiater erklärte, der Bäcker habe eine gefährliche Störung. Er benutzte viele Ausdrücke, die der Bäcker nicht verstand. Das alles war lange her, und der Bäcker dachte nicht mehr daran.   Er saß jetzt, wenn er keine Kunden hatte, oft mit dem Besitzer des Zeitungskiosks vor seinem Laden. Er hatte ein paar alte Holzstühle auf den Bürgersteig gestellt. Der Bäcker sprach nie viel, nur manchmal beschwerte er sich. Er sagte dann, er sei eigentlich Konditormeister und möge es nicht, dass er nur gefrorene Teiglinge in den Konvektomaten schiebe. Er vermisse seine alte, seine richtige Konditorei. Aber immerhin, es sei eine Möglichkeit, über die Runden zu kommen. Der Kioskbesitzer nickte und fragte nicht weiter. Aber der Bäcker hätte ihm auch nicht von den neun Jahren im Gefängnis erzählen können, er hätte ihm die grauen Tage, das Warten, die Einsamkeit und all das andere dort nicht erklären können. Jeden Morgen lieferte der Bäcker Brötchen aus, weil der Backshop alleine nicht genug einbrachte. Es

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