Beschreibung
Zu Jürgen Beckers 90. Geburtstag am 10. Juli 2022 erscheint diese Sammlung sämtlicher zwischen 1971 und 2022 erschienenen Gedichtbände, mit einem umfangreichen Nachwort von Marion Poschmann. Der Band enthält alle Gedichte, dazu Collagen und Bilder von Rango Bohne und Fotos von Boris Becker.
»Jürgen Beckers Werk verfolgt mit eindrucksvoller Konsequenz die Zeitstruktur individueller Wahrnehmung, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in der genauen Beobachtung alltäglicher Begebenheiten, aber auch in den Bewegungen der Erinnerung. So entsteht wie nebenbei eine Chronik der Bundesrepublik, von der Erfahrung des Krieges über die Wiedervereinigung bis hin zum Smartphonezeitalter. Die Gedichte zeigen uns als geschichtliche Wesen, voll innerer Brüche, immer am Rand des Unbekannten, Unüberschaubaren, Verschwindenden.«Marion Poschmann
Autorenportrait
Jürgen Becker wurde 1932 in Köln geboren und verbrachte dort seine Kindheit. Während der Kriegs- und Nachkriegsjahre, zwischen 1939 und 1947, lebte er in Erfurt. Nach Aufenthalten in Osterwieck/Harz und Waldbröl kam er 1950 nach Köln zurück. 1953 Abitur. Nach kurzem, abgebrochenem Studium begann er seine Existenz als freier Schriftsteller; seinen Lebensunterhalt bestritt er jahrelang mit wechselnden Tätigkeiten, als Arbeiter und Angestellter, als Werbeassistent und Journalist. Er arbeitete für den WDR und in den Verlagen Rowohlt und Suhrkamp. Zwanzig Jahre lang, bis 1993, leitete er die Hörspielredaktion des Deutschlandfunks.
Große Aufmerksamkeit fand Jürgen Becker mit seinem ersten ProsabuchFelder (1964); die beiden folgenden BücherRänder (1968) undUmgebungen(1970) festigten seinen Ruf als Verfasser experimenteller Literatur. Zugleich wirkte er mit seinen ersten Hörspielen (Bilder, Häuser, Hausfreunde) am Entstehen des »Neuen Hörspiels« mit. In seinem 1971 veröffentlichten Fotobuch Eine Zeit ohne Wörter verschmolz er seine literarische Arbeit mit dem visuellen Medium. Die künstlerischen Grenzüberschreitungen der Avantgarde hatte er 1965 bereits mit dem BandHappenings dokumentiert, einer Gemeinschaftspublikation mit dem Happening-Künstler Wolf Vostell.
In den Siebziger- und Achtzigerjahren konzentrierte sich Jürgen Becker auf die Lyrik. Die in dieser Zeit entstandenen Gedichtbände darunterDas Ende der Landschaftsmalerei (1974),Odenthals Küste (1986),Das Gedicht der wiedervereinigten Landschaft (1988) platzierte die Kritik in die obersten Ränge der zeitgenössischen Poesie. Gleichzeitig schrieb Jürgen Becker weiterhin Hörspiele und die beiden ProsabücherErzählen bis Ostende (1980) undDie Türe zum Meer (1983). Dazu korrespondierte er weiterhin mit dem visuellen Medium:Fenster und Stimmen(1982),Frauen mit dem Rücken zum Betrachter (1989),Korrespondenzen mit Landschaft(1996) entstanden nach Collagen seiner Frau, der Malerin Rango Bohne,Geräumtes Gelände (1995) nach Bildern seines Sohnes, des Fotografen Boris Becker.
Wende und Wiedervereinigung wirkten entscheidend auf das Schreiben Jürgen Beckers ein. Die Wiederentdeckung der Orte und Landschaften zwischen Elbe und Oder, Rügen und Thüringer Wald motivierten seine GedichtbändeFoxtrott im Erfurter Stadion (1993) undJournal der Wiederholungen (1999), die ErzählungDer fehlende Rest(1997) und vor allem den im Sommer 1999 erschienenen RomanAus der Geschichte der Trennungen. Mit den Vorbereitungen dazu begann er während eines Stipendiums im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf. Es war dies Jürgen Beckers erster Roman; eine bewegende, persönliche Geschichte, die zugleich von den Widersprüchen der deutschen Erfahrungen erzählt.
Jürgen Beckers Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. erhielt er den Preis der Gruppe 47, den Literaturpreis der Bayerischen Akademie der schönen Künste, das Stipendium der Villa Massimo, den Bremer Literaturpreis, den Heinrich-Böll-Preis. Jürgen Becker war Mitglied der Akademie der Künste in Berlin-Brandenburg, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, sowie des PEN-Clubs. 2001 erhielt er für seinen RomanAus der Geschichte der Trennungen den Uwe-Johnson-Preis, der von der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft vergeben wird. 2006 wurde er für sein Prosawerk, insbesondere den JournalromanSchnee in den Ardennen, mit dem Hermann-Lenz-Preis ausgezeichnet, 2009 erhielt er den Schiller-Ring. 2014 wurde Jürgen Becker schließlich als »maßgebliche Stimme der zeitgenössischen Poesie« mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt.
Jürgen Becker verstarb am 7. November 2024 in Köln.
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