Beschreibung
Wundersam bunt und düster zugleich schildert Perutz die Welt in "Der schwedische Reiter", der den Leser im Nu in die Zeit um 1700 versetzt. Der Roman erzählt vom verflochtenen Schicksal zweier ungleicher Männer: Krieg und Barbarei beherrschen die Szenerie, in der ein namenloser Vagabund und der desertierte schwedische Offizier Christian von Tornefeld aufeinander treffen. Der eine nimmt mit List und Tücke, aber ebenso aus Liebe zu einer jungen Frau die Identität des anderen an.
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Leseprobe
Zwischen zwei Dragonern, die Wachslichter trugen, stieg der Dieb mit gebundenen Händen hinter dem Malefizbaron die Treppe hinauf, und nun, da die Sache so weit gediehen war, daß er endlich den Herrn von Krechwitz sehen sollte, plagte ihn die Neugierde noch mehr als zuvor, denn da war ein neues Rätsel: Warum hatte der Malefizbaron, den er als seinen Todfeind und Erzverfolger in die Türkei hinein verwünschte, warum hatte dieser Malefizbaron so wüst gelacht, als er, der Dieb, sagte, er käme von der Herrschaft ihrem Patenkind? Und die Magd, die mit dem Malefizbaron im Bett gelegen war: "Du armer Mann, die Herrschaft hat nirgends in der Welt ein Patenkind!" - Warum? Wie mußt' ein Mensch beschaffen sein, der nirgends in der Welt ein Patenkind hatte? Hat doch der ärmste Tagwerker eines. War dieser Herr von Krechwitz so wüst und ungeschaffen, daß keine Mutter ihr Kind von ihm wollt' aus der Tauf heben lassen? Oder war er am Ende kein Christ? Saß ein Türke, ein Tatar, ein Mohr als Herr auf diesem Gut? Oder war er so geizig, daß es ihm leid war um den Tauftaler, oder.? Der Dieb blieb vor Überraschung einen Augenblick lang stehen. Jetzt hatt' er es, jetzt wußte er es, und wären ihm nicht die Hände hinter dem Rücken gebunden gewesen, so hätte er sich mit ihnen vor den Kopf geschlagen. Jetzt war ihm alles klar. Und nun verstand er auch, warum auf diesem Gut niemand ehrlich war und keine Zucht und Ordnung unter den Knechten, und die Acker verdorben und im Stall die Milzseuch' - und er schalt sich einen Dummkopf und einen Narren, weil er das nicht schon langst erraten hatte. "Ein kleines, armes Lämmchen, von dem nimmt jedermann leicht Wolle", sagte er zu sich mit einem grimmigen Lachen und ballte die Fäuste, und da stand er auch schon vor einer halb geöffneten Tür, der Malefizbaron klopfte an und trat dann mit dem Anstand und der Sicherheit des Edelmannes in das Zimmer der Herrschaft, und hinter ihm stießen die beiden Dragoner den Dieb hinein. Ja, es war so, wie er es vermutet hatte. Ein Kind stand im Zimmer, ein junges Kind, ein Mädchen von nicht mehr als siebzehn Jahren, schmal und zart und wie die heilig erschaffenen Engel so schön - das war die Herrschaft auf dem Gut Kleinroop. Sie hatte Tränen in den Augen, das sah der Dieb sogleich, und ihr gegenüber stand, an den Kamin gelehnt, der Knebelbart, der adelige Wucherer, der Freiherr von Saltza auf Düsterloh und Pencke, dem der Rentmeister den Jagdhund und das Reitpferd der jungen Herrschaft verkauft hatte. Der Malefizbaron stand, mit dem Federhut in der Hand, breitbeinig da und grüßte. "Komm' ich zur Unzeit?" begann er. "Ich hoff' Entschuldigung zu finden, daß ich die hochgeborene Demoiselle zu dieser späten Stunde inkommodier', muß aber morgen schon mit dem allerfrühesten zu Pferd und fort, hätt's für eine Schand' erachtet, wenn ich der Demoiselle nicht zuvor noch meine Aufwartung gemacht hätt', hoff' auch für mich auf ein kleines Plätzchen in der Demoiselle ihrer Erinnerung." Das Mädchen lächelte und beugte ein wenig den Kopf. "Der Herr erweist mir große Ehr', es ist zu viel", sagte sie mit einer zarten und leisen Stimme. "Hab' mit Leid vernommen, daß der Herr will fort. War der Herr nicht zu seiner Zufriedenheit logiert?" Der Dieb sah sie unverwandt an. Alle seine Pläne waren zunichte geworden. "Es ist ein Jammer", sagte er leise zu sich selbst. "So jung ist sie, wenn ich ihr sag', daß ich hinter ihrer Knechte Diebsgriffe und Schelmenstücke gekommen bin, sie wird's nicht glauben, sie ist ein Kind, sie meint, die Welt wär' ehrlich. Und wenn ich ihr die Rechnung mach', daß sie könnt' sich und ihre Leut' von der Milch und dem Federvieh allein ernähren und noch einen Überschuß auf den Markt bringen, sie wird's nicht Leseprobe