Beschreibung
In eine Reihe mit George Orwells Roman "1984" wenn auch bei weitem nicht so beachtet gehört die vorliegende Schrift von Eugen Richter. 1891 verfaßt, liest sich der Inhalt ohne große Korrekturen wie eine Realsatire auf die untergegangene DDR. Da finden sich Schilderungen von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (Kap. 7), von der Ausreisepraxis, wonach lediglich Alte und Säuglinge die Republik verlassen dürfen (Kap. 15), von der dazugehörigen Grenzsicherungspraxis³ (Kap. 15), von notwendigerweise daraus folgernden Republikfluchtversuchen (Kap. 21), von der Praxis der sogenannten "Geheimen Wahlen" (Kap. 26), Schilderungen von den Auswüchsen der Lustlosigkeit, Disziplinlosigkeit und Anarchie (Kap. 17) und der darauf unter anderem auch beruhenden Mangelgesellschaft (Kap. 27 und 29) bis hin zur Schilderung ines Aufstandversuches (Kap. 33), der erschreckend an die Ereignisse von 1953 erinnert Schilderungen allesamt, die eher wie eine Geschichtsschreibung denn wie eine Vision anmuten. Doch die "Sozialdemokratischen Zukunftsbilder" des Eugen Richter sind mehr, nämlich als Fiktion verkleidete Politische Wissenschaft, wie sie im Zuge der Ideologisierung auch der Wissenschaft von eben der Politik verlorengegangen zu sein scheint. Mit aller Vorsicht hinsichtlich von Generalisierbarkeit und Analogie analysiert Richter vordergründig die Schriften August Bebels, hintergründig und weit ergiebiger aber die Geschichte der Französischen Revolution und vor allem deren Folgen für den Menschen. Er entwickelt aus dem historischen Beispiel vorsichtig Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich der politischen Entwicklung innen wie außen, die einem politischen Bruch mit dem ancien régime folgen, zumal wenn dieser Bruch mit eschatologischer Selbstverklärungen einhergeht. So entstehen die Dinge, die uns aus heutiger Sicht sattsam bekannt sind und die Verbindlichkeit von Richters Analysen eindrucksvoll untermauern. 80 Seiten, PC-PDF
Autorenportrait
Eugen Richter wurde am 30. Juni 1838 in Düsseldorf als Sohn eines Generalarztes geboren. Nach dem Studium der Rechte und der Nationalökonomie in Bonn, Heidelberg und Berlin (1856-1859) trat er in den Staatsdienst (1859-1864), um danach zunächst als freier Schriftsteller nach Berlin zu gehen. Als einer der Führer der Deutschen Fortschrittspartei wurde er 1867 Mitglied des Konstituierenden Norddeutschen Reichstages, 1869 des Preußischen Abgeordnetenhauses und 1871 des Reichstages, zunächst für Königsberg i.d.N., Rudolstadt, Hagen, Berlin und schließlich wieder Hagen. 1876-1877 war er zudem Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung. Als entschiedener Anhänger der Ideale von 1848 wirkte er jeder Ausdehnung staatlicher Befugnisse entgegen. Unbestechlich in seiner Überzeugungstreue war er ein gefürchteter Kritiker der Regierungen. 1884 vereinigten sich unter seiner Führung die nationalliberalen Sezessionisten mit der Fortschrittspartei zur Deutsch-Freisinnigen Partei. 1893 wurde er nach Abspaltung der Freisinnigen Vereinigung bis zu seinem Tod am 10. März 1906 Führer der nunmehrigen Freisinnigen Volkspartei. Richter war der Begründer der Freisinnigen Zeitung (1885) und schrieb neben vielen Aufsätzen u.a. Das preußische Staatsschuldenwesen und die preußischen Staatspapiere (1869), Das neue Gesetz, betr. die Konsolidation der preußischen Staatsanleihen (1870), Praktische Anleitung zur Gründung und Einrichtung von Konsumvereinen (1877), Politisches ABC-Buch (Zehn Jahrgänge von 1879-1903), Die Irrlehren der Sozialdemokratie (1890), Sozialdemokratische Zukunftsbilder (1891; in neun Sprachen übersetzt), Jugenderinnerungen (1892), Aus dem alten Reichtstag (2 Bde., 1894/1896). Literatur: Adolf Hinrichsen: Das literatrische Deutschland, 1891; Hermann Pachnicke: Führende Männer im alten und neuen Reich, 1930; Felix Rachfahl, in: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog 13(1910),S. 345-376; ders.: Eugen Richter und der Linksliberalismus im neuen Reich, in: ZfPol. 5(1912); H. Röttger: Bismarck und Richter, Diss. Münster 1932; L. Ulstein: Eugen Richter als Publizist, 1930
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