Beschreibung
Das Bruttoinlandsprodukt gilt als der Wohlstandsmaßstab schlechthin. Doch die Debatte darüber, ob es wirklich dafür geeignet ist, das tatsächliche Wohlergehen und die Lebensqualität der Menschen abzubilden, verstärkt sich in den letzten Jahren zunehmend. Nicht zuletzt seit der Finanzkrise ist man dem BIP gegenüber skeptisch geworden. Die Finanzindustrie hat das BIP in den letzten Jahren zwar wie kaum ein anderer Sektor vorangetrieben, aber inwieweit hat sich dadurch der tatsächliche Wohlstand der Menschen verbessert? Diejenigen, die zu den großen Verlierern der Finanzkrise zählten, werden dies zu beantworten wissen. Generell haben viele Vorgänge, die das BIP erhöhen, gleichzeitig negative Auswirkungen auf die tatsächliche Lebensqualität. Des Weiteren ist bekannt, dass die Lücke zwischen Arm und Reich immer größer wird.Gegenstand dieser Studie ist es, ausgewählte Modelle von Wohlstandindikatoren vorzustellen, kritisch miteinander zu vergleichen und letzten Endes eine Empfehlung darüber abzugeben, ob und inwieweit diese Indikatoren als wahre Alternativen zum BIP geeignet sind oder ob sie lediglich als Ergänzungen dienen können.
Autorenportrait
Stefan Nocon wurde 1982 in Frankfurt am Main geboren. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung zum Offset Drucker holte er die Fachhochschulreife nach, um anschließend Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Frankfurt am Main zu studieren. Das Bachelorstudium schloss er daraufhin im Jahre 2012 erfolgreich ab.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 3.2, Kritik am Bruttoinlandsprodukt:Die Hauptkritik gegen das BIP besteht darin, dass es als Wohlstandsmaß nicht ideal geeignet ist. Denn der Wohlstand oder das Wohlergehen der Menschen hängt noch von einigen anderen Faktoren ab, die im BIP nicht berücksichtigt werden. Wohlergehen hat auch eine nicht-wirtschaftliche Seite. Von Gesundheit, Bildung und Umwelt hängt das Wohlergehen genauso ab wie bspw. von Einkommen und Konsum. Diese Faktoren sind jedoch nicht einfach zu quantifizieren und zu erfassen.Konkrete Gründe, warum das BIP nicht als Wohlstandsmaß geeignet ist, sind laut Dr. Stefan Bergheim vom Zentrum für gesellschaftlichen Fortschritt in Frankfurt am Main folgende:Es beinhaltet Abschreibungen, welche nicht zu einer Erhöhung des Wohlstands führen, sondern die Wirtschaft lediglich wieder an ihren Ausgangspunkt bringen. Des Weiteren wird nur das im Inland erwirtschaftete Einkommen berücksichtigt, auch wenn es ausländischen Kapitalgebern zusteht. Dies ist besonders gravierend in Ländern, in denen relativ viele ausländische Investoren angesiedelt sind. Ein Großteil des BIP fließt somit in der Realität an andere Länder. Hier wäre der Wert des Nettonationaleinkommens gegenüber dem BIP eine genauere Größe. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass viele Aktivitäten, die für die meisten Menschen eine große Rolle spielen, wenn es um das Wohlergehen geht, im BIP nicht berücksichtigt werden. Hierzu zählen u. a. die Qualität der Umwelt, die Betreuung von Kindern oder alten Menschen innerhalb der Familie oder der Wert für Freizeit und Entspannung. Das BIP berücksichtigt zudem viele Aspekte, die zwar den BIP-Wert erhöhen, gleichzeitig oder unmittelbar zuvor aber negative Auswirkungen auf das Wohlergehen der betroffenen Menschen hatten. So zerstören Umweltkatastrophen z. B. Häuser oder Existenzen, aber durch die anschließenden notwendigen Ausgaben erhöht sich das BIP.Weiterhin wird kritisiert, dass langfristige Kosten nicht in das BIP einfließen. Es werden nur die Kosten für Endprodukte berücksichtigt. Eventuelle Folgekosten werden nicht mit einbezogen. Somit wird nicht erfasst, ob das BIP nachhaltig erzeugt wird. Als Beispiel kann hier auf die Stromversorgung hingewiesen werden. Durch billigen Strom wird zwar das Wirtschaftswachstum gefördert und das BIP gesteigert, jedoch entstanden hierfür Folgekosten, wie z. B. für die Endlagerung von Atommüll. Diese Kosten werden spätere Generationen tragen müssen.Eine weitere Ungenauigkeit im BIP ist dadurch begründet, dass ein Großteil der Produktionen auf der ganzen Welt im informellen Sektor stattfindet, d. h. nicht aus Unternehmen mit Buchführung, Bilanzen und Arbeitsverträgen stammt. Es fließen aus diesem Sektor nur Schätzungen in das BIP ein, was einen hohen Unsicherheitsfaktor zur Folge hat. Vor allem in Entwicklungsländern ist der informelle Sektor meist weitaus mehr verbreitet als der formelle Sektor, welcher statistisch einfacher und genauer zu erfassen ist.Zu weiteren Fehlerquellen zählt die nicht adäquate monetäre Erfassung von Qualitätsänderungen bei Produkten, der Bildung, Finanzdienstleistungen oder in der Gesundheitsversorgung. Daneben werden staatliche Dienstleistungen nicht korrekt erfasst, da nur deren Kosten berücksichtigt werden, nicht aber der Nutzen ihrer Leistungen. Somit wird durch hohe Investitionen in ein inneffizientes System ein höheres BIP erreicht als durch niedrigere Investitionen in ein effizienteres System.Ein Anstieg des BIP geht nicht einher mit einem Anstieg des gesamten Wohlstands, da das BIP die Einkommensverteilung in der Bevölkerung nicht berücksichtigt. Steigt das Einkommen insgesamt, so kann ein Großteil dieses Einkommens von einer relativ kleinen Bevölkerungsgruppe verursacht worden sein, während die restliche Bevölkerung über ein gleichbleibendes oder gar geringeres Einkommen verfügt.
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